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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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zurückgewann.
     
    * * *
     
    Ibiranu hatte die ganze Nacht kein Auge zugemacht. Er fürchtete, dass ein angesehener Mann wie Senbi, reich und einflussreich, einen allzu wankelmütigen Richter einschüchtern oder bestechen könnte, sodass dieser die Anklage gegen ihn fallen oder im Sand verlaufen ließ. Um das zu verhindern, hatte er beschlossen, sich am Morgen lieber gleich zu den Amtsräumen des Wesirs zu begeben, um diesem seine Klage vorzubringen.
    Er musste bis weit nach der Mittagsstunde warten, bis endlich ein königlicher Schreiber kam, um ihn vor den Wesir zu führen.
    »Worum geht es?«, fragte Nehi mit strengem Blick. »Ich hoffe, du hast einen guten Grund, dass du meine knapp bemessene Zeit in Anspruch nehmen willst.«
    Ibiranu verneigte sich und begann dem Wesir sein Anliegen vorzutragen. Er schilderte ihm in knappen Worten, was am Abend zuvor vorgefallen war, und beschuldigte Senbi, der Auftraggeber für diese Tat zu sein.
    »Und was genau willst du von mir? Was du mir hier geschildert hast, ist ein schweres Vergehen und wird den Gesetzen des Landes Kemi gemäß vor einem Richter verhandelt werden. Um dir das zu sagen, hättest du dich mit deiner Klage nur an einen Gerichtsschreiber wenden müssen und hättest die gleiche Antwort erhalten. Stattdessen stiehlst du mir meine Zeit!«
    Bestürzt zog Ibiranu den Kopf ein. Das war ein harscher Tadel und konnte bedeuten, dass Ramses’ oberster Beamter sich nach einem anderen Lieferanten für das kostbare Holz umsah. Dennoch wollte er diesen Senbi nicht ungeschoren davonkommen lassen. Unschlüssig, ob er es riskieren konnte, dem Wesir seine Befürchtungen mitzuteilen und ihn womöglich zu verärgern, seufzte er verzagt.
    »Was ist, Ibiranu?«, fragte Pharaos oberster Beamter. »Willst du noch etwas dazu sagen?«
    »Verzeih mir, Hoher Herr, ich wollte nur sicher gehen, dass ...«
    Weiter kam Ibiranu nicht. Nehi war aufgestanden und stützte sich mit beiden Händen auf die Platte seines Arbeitstischs.
    »Willst du etwa andeuten, dass die Richter in Kemi bestechlich oder unfähig sind?« Nehis Augen funkelten erbost. Auch wenn er die sechzig schon vor ein paar Jahren überschritten hatte, so war in ihm noch der gleiche Schwung wie vor mehr als vierzig Jahren,   als er als königlicher Schreiber bei dem Vorgänger seines Vorgängers seine Laufbahn begonnen hatte. »Glaubst du wirklich, ich könnte mich jeder Straftat annehmen? Nenne mir einen triftigen Grund, warum ich mich mit diesem Fall beschäftigen soll!«
    »Weil Senbi ein angesehener Kaufmann ist, Hoher Herr, der ...« Den Rest des Satzes verkniff sich Ibiranu lieber, um den Wesir nicht noch mehr zu erzürnen.
    »Hast du Beweise dafür, dass Senbi darin verwickelt ist?« Die Stimme des Wesirs hatte sich gesenkt, und er setzte sich wieder hinter seinen Arbeitstisch.
    »Die Frau hat es mir selbst gesagt.« Das stimmte zwar nicht ganz, aber Ibiranu blieb keine andere Wahl. Er hatte Amunmose sein Wort gegeben, ihn aus der Sache herauszuhalten.
    Nachdenklich strich sich Nehi mit der flachen Hand über sein glatt rasiertes Kinn. Dann stützte er den Kopf in die Handfläche und sah den Syrer eindringlich an. »Du weißt, dass es ein schweres Vergehen ist, jemanden ohne Beweise zu beschuldigen?«
    »Ja, Erhabener, das ist mir bekannt.«
    »Gut, Ibiranu, dann gehe jetzt und vertraue auf die Gerichtsbarkeit dieses Landes. Wenn es stimmt, dass Senbi in diese Tat verwickelt ist, dann wird er genau wie die Frau und all jene, die damit etwas zu tun haben, von einem Richter abgeurteilt werden. Erst wenn dieser Richter der Meinung ist, dass der Fall ein solches Ausmaß annimmt, dass es seine Befugnisse überschreitet, erst dann werde ich mich als Pharaos Oberster Richter damit beschäftigen. Also, Ibiranu, es wird dir so oder so Gerechtigkeit widerfahren, aber ...«, Nehi blickte dem Syrer fest in die Augen, »... behaupte nie wieder, dass man nur Gerechtigkeit erlangt, wenn man sich direkt an den Wesir wendet.«

ACHT
     
     
     
     
     
     
     
    Noch am selben Tag begab sich Ibiranu zu den Amtsräumen der Gerichtsschreiber, um seine Anzeige aufnehmen zu lassen. Auch hier musste er sich erst einmal in die Masse der Wartenden einreihen, bevor er sein Anliegen einem Gerichtsdiener vortragen konnte.
    »Hast du Beweise für diese ungeheuerliche Anschuldigung?«, fragte der Mann, nachdem Ibiranu ihm den Hergang des Abends geschildert sowie den mutmaßlichen Drahtzieher des Anschlags benannt hatte.
    »Ich weiß es aus dem

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