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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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dieses Anwesen zu verlassen. Ja, ich habe mich strafbar gemacht, indem ich auf seinen Vorschlag eingegangen bin, Ibiranu zu töten. Ich will gerne die Strafe dafür über mich ergehen lassen. Ich hatte aber niemals vor, den Holzhändler zu vergiften. Ich wollte mit ihm in seine Kammer gehen, um ihm alles zu erzählen. Und ich wollte ihm das Gift aushändigen, damit er Senbi vor ein Gericht bringen kann, das ihn für dieses Verbrechen und für all die anderen Untaten, die er mir und den Dienern seines Haushalts angetan hat, hart bestraft. Leider kam ich nicht dazu, aber es ist die Wahrheit, Hoher Herr. Das schwöre ich bei allen tausend Göttern Kemis und beim Leben Seiner Majestät, er lebe, sei heil und gesund.« Satra hatte geendet und wartete gespannt auf die Erwiderung des Richters.
    Betretenes Schweigen herrschte im Hof. Thotmose hatte sich mit dem rechten Arm auf die Lehne des Stuhls gestützt und betrachtete nachdenklich die Frau zu seinen Füßen. In seiner Zeit als Richter hatte schon so manch redegewandter Bauer oder Hafenarbeiter vor seinem Richtertisch gestanden, aber diese Frau zeigte einen so starken Willen, dass sie ihm schon fast so etwas wie Bewunderung abverlangte. Trotz der drohenden Strafe blieb sie beharrlich bei ihrer Aussage und hatte nun auch noch solche Ungeheuerlichkeiten im Haushalt des thebanischen Kaufmanns zur Sprache gebracht.
    Wenn sie denn stimmen, wisperte eine innere Stimme ihm zu. Vielleicht ist es auch nur ein weiterer Versuch, Senbi eins auszuwischen.
    Ratlos seufzte Thotmose. Dieser Fall begann ein Ausmaß anzunehmen, dass er ohne weitere Zeugenaussagen und Nachforschungen nicht zu einem Urteil kommen konnte.
    »Ich habe deine Beschuldigungen vernommen, aber sie sind nicht Tatbestand dieser Verhandlung. Trotzdem werde ich sie nicht vergessen. Vorerst geht es aber um deine Schuldfrage. Bekennst du dich schuldig, das Gift genommen zu haben, um damit Ibiranu zu vergiften? Ich will nur ein einfaches Ja oder Nein von dir hören!«
    Die Angeklagte schluckte bedrückt. »Ja, Erhabener, ich bekenne mich schuldig.«
    »Dann beende ich für heute die Verhandlung. Sie wird erst fortgesetzt, wenn der Kaufmann Senbi samt seinem Gefolge gefunden und verhört worden ist. Weiterhin erteilt das Gericht den Befehl, die zurückgebliebene Dienerschaft des Senbi zu verhören. Die Angeklagte ist bis auf weiteres in das Gefängnis zu überstellen. Der syrische Händler Ibiranu wird unter Androhung von fünfzig Stockhieben aufgefordert, das Gebiet von Theben nicht zu verlassen. Die Verhandlung ist beendet.«
    Ibiranu verschlug es die Sprache. Wer sollte sich um sein Geschäft kümmern, wenn er hier in Theben festsaß. Und vor allem, warum? Immerhin war er der Kläger und nicht der Beklagte. Er verstand die Welt nicht mehr.
    Er wollte zu einem Protest ansetzen, aber Thotmose warf ihm einen drohenden Blick zu, und Ibiranu schwieg.
    Wütend über so viel Ungerechtigkeit, verließ er den Gerichtssaal und eilte zurück in seine Kammer im Gasthaus, wo bereits Amunmose aufgeregt und neugierig auf ihn wartete.
    »Wie ist es gelaufen? Wurden Satra und Senbi verurteilt?«
    Ibiranu ignorierte die Fragen Amunmoses und warf sich beleidigt auf sein Bett. Zutiefst haderte er mit der Gerichtsbarkeit des Landes Kemi.
    Die Höflinge und reichen Kaufleute indes verstreuten sich nach Beendigung des Prozesses, um denen, die nicht bei dieser Verhandlung gewesen waren, über die Ungeheuerlichkeiten zu berichten, die sie aus dem Munde der Angeklagten erfahren hatten. Es bildeten sich kleine Grüppchen, und es wurde heftig diskutiert. Wie so oft war Theben mit einem Schlag in zwei Lager gespalten.
    Die einen waren von Senbis Unschuld überzeugt und bezichtigten die Dienerin der Falschaussage, wofür sie mit dem Abschneiden der Zunge und harter Zwangsarbeit bestraft werden musste. Die anderen meinten, dass sie dem Kaufmann eine solche Tat schon zutrauen würden. Immerhin war Senbi kein reinblütiger Mann des Schwarzen Landes. In seinen Adern floss syrisches Blut. Wie man so hörte, war es bei diesen Völkern nicht unüblich, einen unliebsamen Konkurrenten mittels Gift zu beseitigen. Doch keiner der beiden Lager hatte jemals ein Anzeichen für derartige Zustände auf dem Anwesen des Kaufmanns bemerkt, wie sie von der Angeklagten geschildert worden waren.
    Gespannt erwarteten alle den Ausgang der Verhandlung.
     
    * * *
     
    An diesem letzten Tag im Monat Mechir, dem zweiten Monat der Aussaat, spät am Abend, ließ der Herr der

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