Das Geschenk des Osiris
höchsten Würdenträgern des Landes, die den Innenhof säumten, sowie unter dem einfachen Volk, das vor den weit geöffneten Toren des Tempels auf seinen neuen Herrscher wartete.
Langsam schritt Itiamun flankiert von den beiden Göttern in den ersten Tempelhof. Nun folgte der zweite Teil der Zeremonie, die
Vereinigung der Beiden Länder
.
Itiamun trat auf den in der Mitte des Hofs unter einem Baldachin aufgestellten Thron zu, der normalerweise im Thronsaal des Palasts von Per-Ramses stand, heute jedoch von der Kobragöttin des Nordens, Uadjet, und der Geiergöttin des Südens, Nechbet, flankiert wurde, und setzte sich. Es erschien die Göttin Isis, die als Gemahlin des Osiris, des toten Königs, und Mutter des Horus, des neuen Königs, von Itiamuns Mutter verkörpert wurde. In ihren Händen hielt sie einen mit Papyrus und Lotos umwundenen Djed-Pfeiler, den sie unter den Thron ihres Sohnes stellte.
»Hiermit seien die Beiden Länder unter deinen Füßen vereinigt!«, sagte sie mit klarer, lauter Stimme und verneigte sich ehrfürchtig vor dem neuen Pharao.
Zum Schluss musste Itiamun Besitz von seinem Königreich ergreifen, und so schritt er den abgesteckten Bereich, der die geladenen Gäste von ihrem König trennte, als Versinnbildlichung der Weißen Mauer von Memphis ab. Danach setzte er sich wieder auf den Thron, um der Verkündung seiner Krönungsnamen beizuwohnen.
Ein Priester mit der Maske des Gottes Thot auf dem Kopf und eine als Göttin Seschat gekleidete Priesterin traten vor ihn hin, die diesen wichtigen Teil der Zeremonie übernahmen. Thot rollte einen Papyrus aus und verlas mit lauter Stimme die Titulatur des Herrschers. Die Göttin Seschat schrieb diese symbolisch auf ein jungfräuliches Blatt Papyrus, das die Form eines Blattes des heiligen Isched-Baums in Heliopolis hatte, auf dessen Blätter jeder Pharao und seine Regierungszeit verzeichnet wurden.
»Dein Name soll lauten: Starker Stier, schön als König – Der die Beiden Länder beschützt und die Fremdländer niederzwingt – Reich an Jahren wie Amun – Machtvoll ist die Gerechtigkeit des Re, Auserwählter des Re – Ramses, Gott, Herrscher von Heliopolis.«
Es herrschte atemlose Stille, während die Titel des neuen Pharaos verlesen wurden. Kaum hatte der Priester jedoch geendet, brandete lauter Jubel aus Tausenden von Kehlen auf, verebbte gleich darauf, als erneut die Göttin Isis in Gestalt der Königsmutter Nubchesbed vor den Thron ihres Sohnes trat.
»Majestät, die Götter haben bestimmt, dass die Beiden Länder nur von einem Königspaar regiert werden können. Deshalb, Isis, tritt vor und stelle dich hinter den Thron deines Gemahls Usermaatre Setepenre Ramses Netjer Heqaiunu, so wie ich hinter dem Thron meines Gemahls Osiris stehe.«
Die Große Königliche Gemahlin trat vor, und alle Anwesenden waren von ihrer Schönheit betört. Sie trug ein weißes Leinenkleid, das ihr bis zu den Knöcheln reichte und in der Mitte mit einem roten Band gegürtet war. Um den Hals hatte sie sich ein Amulett der Göttin Isis gelegt und um Fuß- und Handgelenke silberne Reife mit Karneolen und Einlagen aus Fayence. Hocherhobenen Haupts schritt sie auf die vor dem Königsthron stehende Gottheit zu und stellte sich ihr zur Seite. Der König indes verließ seinen Platz und kam auf die beiden Frauen zu, um aus den Händen seiner Mutter die Doppelfederkrone entgegenzunehmen und sie seiner Königin aufs Haupt zu setzen.
»Hiermit ernenne ich dich zur Herrin der Beiden Länder«, proklamierte Itiamun, der von nun an als Ramses VII. herrschen würde, in feierlichem Ton und sah seiner Gemahlin liebevoll in die Augen.
»Ich werde den König vor allem Unheil beschützen«, erwiderte Isis pflichtgemäß, »damit er seiner göttlichen Pflicht, die Beiden Länder im Sinne von Maat zu regieren, nachkommen kann.« Sie verneigte sich und stellte sich neben ihn.
Ramses VII. nahm seine Gemahlin bei der Hand und führte sie vor den Eingangspylon des Tempels, um mit der Doppelkrone auf dem Kopf dem Volk sein Erscheinen auf dem Thron der Beiden Länder gleich dem Erscheinen von Re am Horizont zu zeigen.
Erneut brandete der Jubel der geladenen Würdenträger und des vor dem Tempel wartenden Volkes auf, erfasste ganz Theben und das Umland und verbreitete sich im gesamten Schwarzen und Roten Land. Kemi hatte wieder einen Herrscher, Maat hatte über das Chaos gesiegt, der Fortbestand der Beiden Länder war gesichert.
ELF
Fast vier Monate waren
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