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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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nicht brechen. Und die Dienerin? Ich glaube kaum, dass ihr bekannt sein wird, woher Senbi das Gift bezogen hat..«
    »Da stimme ich dir zu. Die Frau wird es nicht wissen, aber dieses Gift kann eigentlich nur aus einem der Lebenshäuser eines Tempels stammen oder es gibt jemanden, der unerlaubten Handel damit treibt. Finde den Schuldigen, Thotmose. Es kann nicht sein, dass sich jemand auf solch unehrenhafte Weise bereichert.«
    Nehi legte eine Pause ein und musterte sein Gegenüber. Ihm war bewusst, dass der Richter nicht verstand, warum er dem Wesir in aller Heimlichkeit Rede und Antwort stehen musste. Aber auch für Nehi selbst war dieser Gang nicht gerade leicht gewesen.
    »Was für Strafen wirst du verhängen?«, fragte er, und Thotmose dachte kurz nach.
    »Auch wenn ich eben gesagt habe, dass der Kaufmann für mich schuldig ist, so werde ich ihn ohne Beweise oder die Aussage eines glaubwürdigen Zeugen nicht verurteilen. Das verstieße gegen das Gesetz. Bis auf die Aussage der Angeklagten, die in meinen Augen unglaubwürdig ist, und der Aussage Ibiranus habe ich leider nichts gegen Senbi in der Hand. Ich werde Ibiranu zwingen, mir den Namen seines Informanten zu nennen, selbst wenn ich zu einer List greifen muss. Und wenn dieser Jemand die Behauptung des Syrers bestätigt, dann verurteile ich Senbi zum Tod.«
    »Und wie gedenkst du die angeklagte Dienerin abzuurteilen?«
    Unbehaglich verlagerte Thotmose sein Gewicht auf den anderen Fuß. »Da ich sie morgen mit zwei Zeugen der Falschaussage überführen werde, lautet das Urteil: Herausschneiden der Zunge.« Nachdenklich strich er sich mit der flachen Hand über seinen kahl rasierten Schädel. »Und für den Anschlag auf das Leben des Syrers ...? – Wenn die Beisitzer sie dafür ebenfalls für schuldig befinden, werde, nein,
muss ich
sie zum Tode verurteilen.« Etwas unsicher lugte er zum Wesir, der ihn seinerseits nicht aus den Augen gelassen hatte.
    »Wie wäre es, Thotmose, wenn du von einem Todesurteil und von Verstümmelung absiehst und sie dafür zu Leibeigenschaft und Zwangsarbeit auf Lebenszeit verurteilst im Dienste des zukünftigen Pharao?«
    Verstört riss Thotmose die Augen weit auf, sodass das Weiße darin deutlich zu erkennen war. »Aber, Tjati, das wäre gegen die Maat! Diese Frau hat sich bewusst der Falschaussage schuldig gemacht. Wie kann ich das ignorieren?« Er rang nach Luft. »Sie nahm das Gift von Senbi, um Ibiranu zu töten, auch wenn sie behauptet, dass sie es nicht vorhatte. Es gibt keinerlei Beweise dafür. Jeder andere Richter würde dafür ebenfalls die Todesstrafe verhängen. Verzeih mir, Erhabener, aber das kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Ich diene der Maat und dem Pharao.«
    »Ich ebenfalls, aber ich erteile dir den Befehl dazu!« Nehis Stimme war hart geworden und duldete keinen Widerspruch.
    »Das darfst du nicht, Erhabener. Das ist gegen Recht und Gesetz.« Thotmose fühlte, wie ihm schwindlig wurde. Was ging hier bloß vor?
    »Ich habe genug gehört«, ertönte die tiefe, klare Stimme einer dritten Person, die hinter einer der Säulen hervortrat und auf die beiden Männer zutrat.
    Nehi machte eine tiefe Verneigung in Richtung des unbekannten Mannes, drehte sich um und verschwand in der Dunkelheit, während der Fremde sich dem Richter näherte. Als das spärliche Licht seine markanten Gesichtszüge erhellte, erbleichte Thotmose.
    »Majestät!«, hauchte er und fiel auf die Knie, um mit der Stirn die kühlen Fliesen des Heiligtums zu berühren.
    »Steh wieder auf!«, befahl Itiamun. »Du hast dich geweigert, vom Wesir einen Befehl entgegenzunehmen, weil er deiner Ansicht nach nicht mit der Maat und dem König zu vereinbaren sei. Das zeichnet dich als getreuen und ehrbaren Richter aus. Aber wirst du den Befehl von mir entgegennehmen, Thotmose, oder kannst du auch das nicht mit deinem Gewissen vereinbaren?«
    »Majestät, du ...«, begann der Gefragte zu stottern, doch Itiamun schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab.
    »Ich weiß, was du sagen willst. Der Pharao sollte sich nicht in einen laufenden Prozess einmischen, und damit hast du recht. Wenn aber der Ausgang im Interesse des Pharaos und somit im Interesse des Landes liegt, dann sollte Pharao es tun. Und vergesse nicht, dass ich noch nicht gekrönt bin. Es spricht nicht der Herr der Beiden Länder zu dir, sondern der Thronfolger.« Itiamuns Blick bohrte sich in sein Gegenüber. »Denke darüber nach, Thotmose, und bedenke auch, dass der Pharao nach

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