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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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Kaufmann schlechte Laune hatte, ließ er sie gerne an seinen Untergebenen aus. Deshalb war es besser, ihm nicht zu begegnen, wenn er zornig war.«
    »Hat er seine Wut auch an dir ausgelassen?«
    »Nein, mich ließ er in Ruhe, aber die Hausdiener waren vor ihm und seinen Gehilfen nicht sicher.«
    »Gehörte die Angeklagte auch dazu?«
    »Aber natürlich, Hoher Herr, aber nicht nur sie. Auch die Dienerin Scherit und ihr Sohn Piay sowie die beiden Männer, die Senbi zu Diensten waren, wobei es die Frauen stets härter getroffen hat.«
    Während Amunmose sprach, beobachtete Thotmose die Angeklagte, welche förmlich an den Lippen des Haushofmeisters hing.
    Er räusperte sich. »Wie soll ich das verstehen, Amunmose? Was genau hat Senbi mit ihnen gemacht?«
    »Er hat sie misshandelt. Wenn er schlechte Laune hatte oder sie ungehorsam waren, hat er sie geohrfeigt oder von seinen Männern auspeitschen lassen ...«
    »
Auspeitschen lassen?
«, fragte der Richter überrascht dazwischen, da er glaubte, sich verhört zu haben.
    Es war zwar üblich, Bestrafungen mit dem Stock vorzunehmen; allerdings wurden die Hiebe nicht mit roher Gewalt ausgeführt, um den, der zur Vernunft gebracht werden sollte, nicht arg zu verletzen. Selbst bei Vergehen, die vor einem Gericht verhandelt wurden, wurden die Übeltäter nicht windelweich geprügelt. Ein beliebtes Strafmaß waren einhundert Hiebe, fünf davon hart. Nur diese fünf Hiebe erinnerten den Bestraften in der Folgezeit daran, dass es besser war, keinen Frevel zu begehen.
    Er räusperte sich und warf den Zuhörern, die auf Grund der Enthüllungen des Haushofmeisters zu raunen begonnen hatten, einen strafenden Blick zu, der sie auf der Stelle verstummen ließ.
    »Meinst du ernsthaft, Senbi hat seine Diener nicht, wie üblich, mit Stockhieben bestraft, sondern richtig
auspeitschen
lassen

    Amunmose seufzte verzagt. »Ja, Hoher Herr. Manchmal hat Senbi sie so verprügeln lassen, dass sie ein paar Tage nicht arbeiten konnten.«
    »Betraf das alle Hausdiener?«
    Amunmose bejahte, und Thotmose stellte eine alles entscheidende Frage. »Haben er, Raja und Abischemu sich jemals an den Dienerinnen vergangen?«
    Beschämt, als wäre er selbst daran beteiligt gewesen, senkte Amunmose den Kopf. »Das kam regelmäßig vor. Manchmal holte sich nur einer der drei eine der Hausdienerinnen auf sein Lager. Es kam aber vor, dass Abischemu und Raija sich gemeinsam über eine von ihnen hermachten, und, wenn sie betrunken genug waren, sie auch noch hinterher verprügelten.«
    Es war laut im Gerichtssaal geworden, und der Diener klopfte energisch mit dem Amtsstab des Richters mehrmals auf den Boden, doch die Anwesenden wollten sich nicht so schnell beruhigen. Was sie soeben gehört hatten, war einfach zu ungeheuerlich.
    Thotmose sah sich den Tumult einen kurzen Moment lang an. Als er sich nicht legen wollte, obwohl der Diener hinter ihm wieder und wieder um Ruhe bat, winkte er ein paar Medjai zu sich heran. Denen befahl er, die auffälligsten Unruhestifter augenblicklich aus der Halle der Rechtssprechung zu führen und umgehend mit zehn Stockhieben zu bestrafen.
    Als die dunkelhäutigen Ordnungshüter beherzt einige Männer, aber auch Frauen aus den Bankreihen zerrten, kehrte schlagartig wieder Ruhe ein.
    »Ich sage es jetzt zum letzten Mal«, wandte sich Thotmose an die Anwesenden. »Wenn es zu einer weiteren Störung kommt, lasse ich den Gerichtshof räumen und verteile Strafen in Form von körperlichen Züchtigungen. Das ist meine letzte Warnung!«
    Die Getadelten schauten betreten zu Boden, denn ihnen war bewusst, dass ein Richter das Recht dazu hatte, und niemanden seine Abstammung oder sein Amt bei Hofe vor einer Bestrafung wegen Missachtung eines Gerichts schützen würde.
    Zufrieden schaute Thotmose in die Runde und wandte sich schließlich wieder der Befragung von Senbis Hausverweser zu.
    »Und du beschwörst deine Aussagen?«, wollte er wissen, und Amunmose, der sich in der Zwischenzeit wieder erhoben hatte, fiel erneut vor Thotmose auf die Knie. Er presste die rechte Hand auf sein Herz und leistete einen feierlichen Schwur auf seinen Schutzgott Amun.
    Thotmoses Blick wanderte zu der angeklagten Dienerin, die zusammengesackt auf den heißen Steinen kauerte und den Kopf gesenkt hielt. Sie hatte die Wahrheit gesprochen, und er hätte ihr um ein Haar die Zunge herausschneiden lassen.
    In Thotmose brodelte unsägliche Wut.
    »Und all dieses Wissen hättest du mit in dein Grab genommen, wenn sich nicht

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