Das Geschenk des Osiris
verurteilt. Sollten sie je in den Beiden Ländern gefasst werden, ist das Urteil sofort zu vollstrecken. Ihr gesamtes Hab und Gut wird Eigentum Seiner Majestät. Diese Urteile werden Seiner Majestät zur Bestätigung vorgelegt und sind erst danach rechtskräftig.«
Thotmose machte eine Pause und schaute zu der am Boden kauernden Frau.
»Die in den Diensten des Kaufmanns Senbi stehende Dienerin Satra wird zu Leibeigenschaft und Zwangsarbeit auf Lebenszeit im Dienste Seiner Majestät verurteilt.«
Überraschtes Gemurmel wurde hörbar, denn die meisten Anwesenden hatten ebenfalls mit einem Todesurteil gerechnet, da sieben von zehn Beisitzern die Frau für schuldig befunden hatten, Ibiranu töten zu wollen.
Doch unbeirrt fuhr der Richter fort: »Wenn ein Mann einen anderen mit einem Dolch tötet, wird er von einem Richter zum Tode verurteilt. Niemals würde der Richter auf die Idee kommen, den Dolch zu bestrafen, ihn einschmelzen oder in den Fluss werfen zu lassen, nur weil er jemandem das Leben nahm. Und genauso sehe ich die Schuldfrage bei der Angeklagten. Sie war nur das Werkzeug, der Dolch, in den Händen eines bösen Mannes. Aus diesem Grund halte ich die Todesstrafe für ungerecht.« Vereinzelt nahm Thotmose zustimmendes Nicken wahr. »Für die Beleidigung der Götter und Missachtung des Gerichts verurteile ich sie zu fünfzig Stockhieben.«
Er reichte dem hinter ihm stehenden Gerichtsdiener den Amtsstab zurück, räusperte sich und befahl, dass ihm die Dienerin Scherit und ihr Sohn Piay erneut vorgeführt wurden.
»Du hast bewusst falsche Aussagen vor diesem Gericht gemacht, Scherit. Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?«
Die Angesprochene zitterte am ganzen Leib, und ihre Stimme klang dünn, als sie antwortete: »Hoher Herr, ich bin unschuldig. Mein Gebieter kam an jenem Abend zu mir und sagte, dass er verreisen wolle, und sollte alles gut für ihn laufen, wäre er bald wieder in Theben. Sollte ich allerdings in der Zwischenzeit von den Medjai verhört werden, dann sollte ich sagen, dass es mir und meinem Sohn in seinem Haushalt immer gut ergangen sei. Zudem sollte ich beschwören, dass Satra lügen würde. Er hielt mich an der Gurgel gepackt und schüttelte mich. Ich hatte Angst und schwor, gehorsam zu sein. Er versprach, dass er mir und meinem Sohn die Freiheit schenken würde, wenn ich tue, was er befiehlt; sollte ich mich aber weigern, wären mein Sohn und ich des Todes.« Sie schluchzte herzergreifend. »Ich habe Piay gesagt, dass er immer nur gut über unseren Gebieter sprechen muss, wenn man ihn befragt, und da er ein gehorsamer Knabe ist, hat er es auch getan.« Flehend sah Scherit zu Thotmose auf.
»Das kann ich nicht als Entschuldigung für dein Verhalten gelten lassen. Ich verstehe zwar, dass du vor Senbi Angst hattest, doch als man dich befragte, hättest du den Medjai die Wahrheit sagen können, und man hätte dich und deinen Sohn beschützt. So aber hast du nicht nur dich, sondern auch dein Kind schuldig gemacht.« Er warf einen Blick auf den Knaben, der sich völlig verängstigt an den Arm seiner Mutter klammerte.
Erneut ertönte das dreimalige Klopfen des Amtsstabs.
»Die Dienerin Scherit wird wegen bewusster Falschaussage zu Verstümmelung durch Abschneiden der Zunge verurteilt.«
»Nein, Herr!«, schrie die Nubierin mit schriller Stimme. »Ich wurde durch meinen Herrn dazu gezwungen.« Scherit wollte sich Thotmose zu Füßen werfen, doch sie wurde von den Medjai gepackt und aus dem Hof gebracht.
»Bei dem Diener Piay will ich bei meinem Urteil Gnade walten lassen«, fuhr Thotmose mit seiner Urteilsverkündung fort. »Er ist noch ein Knabe und hat getan, was seine Mutter und sein Gebieter von ihm verlangten. Ich rechne ihm sein Alter zugute, dass er das gesamte Ausmaß seiner bewussten Falschaussage vor meinem Richteramt noch nicht erfassen konnte. Ich verurteile den Diener Piay zu lebenslanger Leibeigenschaft und Zwangsarbeit im Dienste Seiner Majestät.« Thotmose erhob sich und mit ihm die Beisitzer und das Publikum. »Alle Verurteilten sind bis zur Vollstreckung ihrer Strafen in das Gefängnis von Theben zu bringen! Der Prozess ist beendet!«
* * *
Elf Tage nach der Verhandlung saß der syrische Holzhändler noch immer untätig in seinem Gasthaus in Thebens Händlerviertel herum und wartete auf das Urteil des Wesirs. Wie ein gefangener Löwe durchmaß er seine Kammer und war unsäglich wütend.
Ibiranu hatte gehofft, dass Senbi verurteilt werden würde, was auch
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