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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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König mit seiner Armee gen Osten zog, um die dort ansässigen Fürsten daran zu erinnern, wer ihr Herr war. Der Einflussbereich des Pharaos war jedoch unter den letzten Herrschern zusehends geschrumpft. Immer öfter kam es vor, dass fremdländische Feinde bis ins Delta vordrangen, von wo sie der Herr der Beiden Länder wieder zurückdrängen musste. Andererseits oblag es dem König, regelmäßig sein Land zu bereisen, um sich seinem Volk zu zeigen und den Göttern in ihren Tempeln zu huldigen und zu danken.
    Die Berichte der Kundschafter und Gesandten aus den Fremdländern waren während der Trauerzeit beruhigend ausgefallen. Kein Stammesfürst hatte versucht, die Trauerzeit für seinen persönlichen kleinen Krieg gegen das große Kemi zu nutzen. Und so hatte sich Ramses nach seiner Krönung für die Reise durch das von den Göttern geliebte Land und den Besuch der Tempel entschieden. Zuvor aber hatte er eine der wichtigsten Handlungen nach seiner Thronbesteigung vollzogen: die Bildung der obersten Führungsspitze aus ihm treu ergebenen Männern.
    Während der Trauerzeit hatte er sich mit den Persönlichkeiten des Landes beschäftigt und war zu dem Schluss gekommen, dass sie fast alle seinem Vater und auch ihm treu ergeben waren. Es gab zwar ein paar schwarze Schafe unter ihnen; er wollte ihnen aber eine letzte Chance einräumen, und wenn sie die nicht zu nutzen wussten, wollte er sie durch fähigere Männer ersetzen.
    Meres, sein bisheriger Haushofmeister hatte das Amt des Obersten Palastvorstehers übertragen bekommen. Zukünftig unterstand ihm die gesamte Dienerschaft. Juri hatte den Rang des Obersten Kammerherrn erhalten, während Isis ’ Bruder Merenptah fortan Ramses’ Leibwache vorstand. Amunhotep durfte sich seit ein paar Tagen mit dem Titel des Einzigen Freundes des Königs schmücken, und der erst zehnjährige Sohn von Ramses und Isis, Prinz Ramesse, war zum Horus-im-Nest ausgerufen worden. Zur allgemeinen Überraschung der Höflinge hatte Ramses keinen neuen königlichen Leibarzt bestimmt, sondern den dickleibigen Sari in diesem Amt bestätigt. Ungemeines Erstaunen hingegen löste Thotmoses Ernennung zum Obersten Richter von Thebens aus.
    Ramses musste schmunzeln, wenn er an die verwunderten Ausrufe der Höflinge dachte, als der Inhaber dieses Amtes namentlich genannt worden war. Auch Thotmose selbst war einigermaßen überrascht gewesen.
    Mit seiner Regierungsbildung war ein wichtiger Schritt getan. Dennoch gab es viele andere Dinge, die dem jungen König am Herzen lagen.
    Ramses’ größtes Anliegen bestand in der Bekämpfung der um sich greifenden Korruption unter den Beamten. Er hatte sich vorgenommen, bei der Aufdeckung solcher Taten keine Gnade walten zu lassen. Niemand sollte seiner gerechten Strafe entgehen.
    Es galt, die Häuser der Ewigkeit besser zu schützen. In den vergangenen Jahren war es immer häufiger zu Diebstählen gekommen, und die Räuber schreckten inzwischen selbst vor dem Begräbnistal der Pharaonen nicht mehr zurück. Solch einen Frevel durfte und konnte Ramses nicht tatenlos hinnehmen.
    Sein Blick schweifte über die Menschen, denen es erlaubt worden war, den heutigen Tag zusammen mit ihm auf der königlichen Barke zu verbringen.
    Amunhotep und Nehi saßen am Bug des Schiffes unter einem Sonnensegel, tranken gekühlten Wein und unterhielten sich angeregt. Bintanat hatte es sich etwas abseits bequem gemacht und plauderte mit Tani, während sie Amunhotep die ganze Zeit über verstohlene Blicke zuwarf. Ramses’ älteste Söhne Ramesse und Hori standen derweil zusammen mit den Söhnen des Wesirs unweit der beiden Männer, sahen hinüber zu den Bauern auf den Feldern und winkten ihnen ab und an zu. Nubchesbed hatte sich mit Sethi unter ein Sonnensegel zurückgezogen, und beide lauschten der lieblichen Stimme seiner Schwester, die zu den Klängen einer Harfe sang.
    »Woran denkst du?«, wurde er aus seinen Gedanken gerissen und wandte seinen Blick Isis zu.
    »An alles und nichts«, antwortete er und sah ihr verliebt in ihre mandelförmigen Augen. Er beugte sich ihr zu und küsste sie zärtlich auf die Wange. »Ich liebe dich«, flüsterte er ihr ins Ohr, und sie lächelte.
    »Ich dich auch, Großer Horus.«
    Ihre Lippen fanden sich erneut, und für Ramses schmeckten sie süßer als Honig. In diesem Moment wurde ihm klar, dass er ohne Isis niemals die Kraft aufbringen würde, das Land zu regieren.
    Gegen Abend steuerte der Konvoi das Ufer an.
    Res Barke war bereits im Sinken

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