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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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Es war ihr unverständlich, wie man sich freiwillig tage- und nächtelang in der Bibliothek eines Lebenshauses aufhalten konnte, nur um sich in verstaubte Papyri zu vertiefen. Das Leben war viel zu kurz; man sollte es einfach genießen. Man sollte sich einen Partner suchen, um mit ihm oder ihr Kinder zu zeugen. Gab es denn neben der Liebe etwas Schöneres?
    Verträumt schüttelte Bintanat unmerklich mit dem Kopf.   »Eines Tages wirst du mir gehören!«, wisperte sie leise und näherte sich ihm.
    Amunhotep war in einem Gespräch mit dem Wesir vertieft, als sie sich auf dem freien Platz zu seiner Linken niederließ. Dabei stieß sie ihn sacht an der Schulter an.
    Überrascht blickte der Priester sich um.
    »Verzeih, Amunhotep«, entschuldigte sich Bintanat betont schüchtern und sah ihn unter ihren dichten schwarzen Wimpern verführerisch an, »ich wollte dich nicht bei deiner Unterhaltung stören.« Sie lächelte und zeigte dabei ihre makellos weißen Zähne.
    Der Wesir hatte den Wortwechsel vernommen, entschuldigte sich höflich und stand auf, um sich dem Zweiten Propheten des Ptah zuzuwenden. Gezwungenermaßen richtete Amunhotep seine Aufmerksamkeit auf die Prinzessin.
    »Was kann ich für dich tun, Hoheit?«, fragte er, obwohl er wusste, was sie von ihm wollte. Ihm war schon seit Langem bekannt, dass die Prinzessin verliebt in ihn war, eine einseitige Liebe, die er nicht empfand.
    Sie beugte sich ihm zu und flüsterte ihm ins Ohr: »Das weißt du genau, Amunhotep.« Sie lächelte vielsagend.
    Der Oberpriester taxierte sie. Dabei fiel ihm auf, dass ihre Augen einen leicht fiebrigen Glanz hatten, was wohl nicht nur auf das starke Bier zurückzuführen war, welchem Bintanat den ganzen Abend über zugesprochen hatte.
    »Du solltest dich lieber hinlegen und schlafen, Hoheit. Ich glaube, das wäre besser für dich«, raunte er zurück, und sie boxte ihm erbost ihre Faust in die Rippen.
    »Sage mir nicht, was ich tun soll, Priester!«, zischte sie, und ihre Augen blitzten Amunhotep erbost an. »Ich bin alt genug, um zu wissen, was gut für mich ist und was nicht. Und das, was ich von dir begehre, Priester, das wäre äußerst gut für mich.« Sie stand abrupt auf und ließ Amunhotep sitzen.
    Schmunzelnd sah er ihr hinterher.
    Bintanat hatte sich ihm schon immer zu nähern versucht, doch heute Abend hatte sie sich ihm ganz unverhohlen angeboten.
    Leicht amüsiert trank er seinen Wein aus und wünschte, der König würde bald das Fest verlassen und sich schlafen legen. Ramses schien jedoch heute Abend ganz gegen seine Gewohnheit in Feierstimmung zu sein, und so blieb Amunhotep nichts weiter übrig, als weiter auszuharren und sich von einer zutiefst gekränkten Bintanat fernzuhalten.
     
    * * *
     
    Am nächsten Morgen stand Ramses am Bug der königlichen Barke und sah den Männern zu, wie sie das Boot vom Ufer in die Mitte des träge dahinfließenden Flusses ruderten, als seine Aufmerksamkeit auf zwei Soldaten am Ufer gelenkt wurde, die eine Frau in ihre Mitte genommen hatten und auf das Schiff der königlichen Leibgarde brachten.
    »Ist das nicht diese verurteilte Giftmörderin?«, fragte Sethi, der neben den König getreten war, und Ramses bejahte.
    Er sah sie heute zum ersten Mal. Sie war sehr groß und schien ausgemergelter zu sein als ein Sträfling in den Kupferminen. Auch ihr Rücken wies mehr Prügelmale auf. Sie war verwahrlost und dreckig, und Ramses dachte, dass der Oberaufseher des thebanischen Gefängnisses ihr wenigstens ein Bad und ein neues Kleid hätte zugestehen können.
    Und diese Frau sollte ein Geschenk des Osiris sein? Des Königs Glaube an die Götter war zwar unerschütterlich, aber dieses Mal wagte er zu zweifeln.
    Angewidert wandte er den Blick von ihr und richtete ihn auf seinen Onkel.
    »Thotmose soll ja eine ziemlich eigenwillige Erklärung gehabt haben, warum er sie nicht zum Tode verurteilt hat«, plauderte Sethi weiter.
    »Ich hörte davon«, erwiderte Ramses knapp. »Er wird sicher seine Gründe gehabt haben.«
    Sein Onkel zuckte mit den Schultern. »Anscheinend war es nicht gegen die Maat; anderenfalls hättest du ihn sicher nicht zum Obersten Richter von Theben ernannt.«
    Ramses warf Sethi einen kritischen Seitenblick zu, doch der Prinz schwatzte munter weiter.
    »Warum hast du sie eigentlich mit auf diese Reise genommen?« Sethi blickte zu Ramses, aber dieser hatte sich bereits umgedreht und ging zu seinem mit einem Baldachin überdachten Thronsessel zurück.
    Um die Mittagszeit, als

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