Das Geschenk des Osiris
zur Besinnung und griffen die rasenden Ruderer bei den Schultern oder Armen, und wenn alles nichts half, zogen sie sie an den Haaren von ihrem Opfer fort und versetzten ihnen einen Faustschlag.
»Seid ihr wahnsinnig?«, brüllte der Oberst der Leibwache die Ruderknechte an, als wieder Ruhe und Ordnung hergestellt war. »Wolltet ihr sie erschlagen?«
Betreten schauten die Getadelten zu Boden.
»Aber, Hoheit«, wagte einer seine und die Vorgehensweise seiner Kameraden zu rechtfertigen, »sie hat den Thronfolger ins Wasser gestoßen. Sie ist schuld an seinem Tod.«
»Hast du es mit eigenen Augen gesehen?«, brüllte Merenptah, und der Mann errötete.
»Nein, Hoheit, aber die Dienerin der Königsmutter hat es gesehen.«
»Ich ebenfalls«, blaffte der Prinz. »Sie hat den Prinzen nicht gestoßen, sie wollte ihm helfen.« Er drehte sich um und gab dem Schiffsführer ein Zeichen, die Männer wieder auf ihre Plätze zu befehlen und ans Ufer zu rudern, wo bereits die königliche Barke festgemacht hatte.
Als sie das Ufer erreichten, warf Merenptah einen Blick auf die Frau, die blutend im Heck des Schiffes lag und sich nicht regte. Dann begab er sich schweren Herzens zu seinem königlichen Bruder.
Als er sich der Laufplanke näherte, die das Schiff des Pharaos mit dem Uferstreifen verband, wurden ihm die Knie weich, denn er wagte kaum, Ramses unter die Augen zu treten. Die Getreuen hatten in der Zwischenzeit alle Dienerinnen und Diener vom Schiff des Königs gescheucht und die Würdenträger gebeten, ihre eigenen Barken aufzusuchen.
Die beiden Männer, die rechts und links der Laufplanke Wache hielten, verwehrten ihm den Zutritt.
»Verzeih, Hoheit, aber Seine Majestät will von niemandem gestört werden«, teilte ihm einer der Soldaten mit. Verlegen schaute der Mann zu Boden.
»Wo ist Juri?«, fragte der Prinz und sah sich suchend um.
»Hier, Hoheit«, ertönte die traurige Stimme des Kammerherrn, der von hinten mit hängendem Kopf auf den Prinzen zugetreten kam.
»Geh und melde mich dem Pharao!«, befahl Merenptah, und gehorsam eilte Juri die Laufplanke hoch und verschwand im Innern der inzwischen mit kostbar verzierten Leinentüchern vor neugierigen Blicken geschützten Kajüte. Kurze Zeit später kam er wieder heraus und gab den Wachen ein Zeichen, den Prinzen passieren zu lassen.
Als der Oberst der Leibwache die Kajüte betrat, saß Ramses auf dem Boden mit dem Rücken an die Sitzfläche des Thronsessels gelehnt und hielt seine Gemahlin im Arm. Isis hatte ihren Kopf schluchzend an seine Brust gedrückt und sah nicht einmal hoch, als er den Innenraum betrat. Nubchesbed war ebenfalls anwesend und betrachtete mit versteinertem Gesicht das königliche Paar.
Merenptah zerriss es fast das Herz, als er seine Schwester in ihrer unendlichen Trauer um den Verlust ihres erstgeborenen Sohnes sah. Er fiel auf die Knie und berührte mit der Stirn die warmen Holzplanken des Schiffs.
»Steh auf!«, befahl Ramses mit matter Stimme, und sein Halbbruder erhob sich, blieb aber auf den Knien sitzen.
»Verzeih mir, Majestät, es ist alles meine Schuld«, brachte Merenptah mit tränenerstickter Stimme heraus. »Ich entsage dem Amt als Oberst deiner Leibwache. Ich bin unwürdig und unfähig, diese Aufgabe zu erfüllen. Ernenne einen tüchtigeren Mann als mich. Ich erwarte demütig deine Strafe.« Beschämt neigte Merenptah den Kopf und starrte zu Boden.
»Was redest du da für einen Unsinn!«, fuhr Nubchesbed ihn an. »Diese Frau ist an allem schuld.«
»Nein, Majestät!«, widersprach Merenptah seiner Stiefmutter. »Sie hat den Prinzen nicht gestoßen ...«
»Unfug!«, unterbrach sie ihn unwirsch. »Meine Dienerin hat es genau gesehen. Sie hat mir gesagt, dass sie sah, wie die Frau aufsprang, den Arm nach meinem Enkel ausstreckte und ihn ins Wasser stieß.«
»Das ist nicht richtig, Majestät. Sie wollte ihm die Hand reichen, damit sich Ramesse festhalten kann.« Traurig blickte Merenptah zur Königsmutter auf. »Ich stand genau hinter ihr und konnte es sehen. Nicht sie ist schuld am Tod des Thronfolgers, sondern ich.«
»Papperlapapp!«, schimpfte Nubchesbed aufgebracht, aber Ramses gebot ihr zu schweigen.
»Wie konnte das überhaupt passieren?«, wandte er sich an seinen Bruder.
»Ich weiß es nicht, Majestät. Wir hatten die Krokodile bereits hinter uns gelassen, als Ramesse ans Heck des Schiffes lief, um den anderen Booten zuzuwinken. Mit einem Mal gab es einen Stoß und ...« Merenptah schniefte und konnte nicht
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