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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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Re in seiner Barke hoch am Himmel stand und selbst der stete, aus dem Norden kommende Wind kaum noch Erfrischung brachte, fuhr der königliche Konvoi um eine Flussbiegung. Plötzlich ertönten die warnenden Rufe der Schiffer, die sich einer beträchtlichen Anzahl von Krokodilen gegenübersahen, die von einem Nilpferdbullen in den Fluss getrieben worden waren.
    Die sonst so glatte Wasseroberfläche schien durch die peitschenden Schwänze der Echsen zu brodeln, während sich der Bulle am Ufer wie wild gebärdete, sein riesiges Maul aufriss und dabei seine gefährlichen Eckhauer entblößte. Was das Tier in eine solch rasende Wut versetzt haben konnte, war den Schiffsführern zwar unklar; sie wussten aber, dass es gefährlich werden konnte, in diesen Pulk aus schuppigen Körpern hineinzufahren oder die Aufmerksamkeit des Nilpferdbullen auf sich zu ziehen. Sie wiesen die Rudergänger an, das entgegengesetzte Ufer anzusteuern, um dort abzuwarten, bis sich die Tiere wieder beruhigt hatten, aber es war schon zu spät. Die vorderen Barken glitten bereits zwischen den schuppigen Körpern hindurch.
    »Sofort die Ruder aus dem Wasser und Ruhe bewahren«, ordneten die Schiffsführer an, um die Krokodile nicht noch aggressiver zu machen.
    Prinz Merenptah befand sich auf dem Schiff der Getreuen und mit ihm Ramesse, der Thronfolger. Beide standen am Bug und schauten interessiert dem Schauspiel zu, das sich ihnen im Wasser bot. Als das Schiff durch den Pulk der Echsen hindurchgefahren war, lief Ramesse zum Heck, um die anderen Barken zu beobachten, die ihnen folgten. Gemächlichen Schrittes trabte Merenptah seinem Schützling hinterher, denn die Gefahr war vorbei.
    Auch Satra hatte sich aufgerichtet und sah fasziniert dem Wüten der Tiere des Gottes Seth zu. Sie kauerte im hinteren Teil der Barke, und Ramesse stellte sich neben sie an das hochgezogene Heck. Fröhlich winkte er seiner Großmutter zu, die sich auf dem Schiff hinter dem der Getreuen befand.
    Auf einmal gab es einen kurzen Stoß.
    Ramesse verlor das Gleichgewicht und stolperte nach vorn. Entsetzt schrie er auf und versuchte, irgendwo Halt zu finden. Satra, die seine fruchtlosen Bemühungen bemerkte, sprang sofort hoch und wollte ihm die Hand reichen, aber es war zu spät. Mit einem schrillen Aufschrei stürzte der Prinz ins Wasser und tauchte unter.
    Als er wieder an die Oberfläche kam, fuchtelte er panisch mit den Armen. Die riesigen Schuppenechsen waren bereits auf ihn aufmerksam geworden und fielen sofort über ihn her. Die Getreuen versuchten, sie mit ihren Speeren von Ramesse fernzuhalten, aber sie schafften es nicht. Zu viele der Bestien waren im Wasser, und sie schnappten erbarmungslos nach dem Kind. Die Schreie des Knaben waren Grauen erregend, doch sein Todeskampf sollte nicht lange währen. Eines der Krokodile packte den Prinzen an der Schulter und machte eine schnelle Drehung um seine Längsachse. Dann zog er ihn unter Wasser, wo er von den Echsen in Stücke gerissen wurde.
    Satra kauerte auf den Planken des Schiffes und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf das blutrote Wasser. Das nackte Grauen stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sie zitterte am ganzen Leib und murmelte unverständliche Dinge vor sich hin. Merenptah, der hinzugeeilt war, hockte mit Tränen in den Augen neben ihr und hämmerte ohnmächtig vor Gram mit beiden Fäusten auf die Planken des Boots.
    Es war totenstill. Nur das Brodeln des Wassers war zu hören. Dann durchdrang ein schriller Klagelaut vom Schiff der Königsmutter die Stille, in den andere einfielen.
    Über all diesem Wehklagen war die hysterische Stimme einer Dienerin zu hören, die mit dem Arm zum Boot der Getreuen wies und schrie: »Die da, diese Tochter des Seth mit ihren roten Haaren, hat den Prinzen ins Wasser gestoßen. Ich habe es genau gesehen.«
    Die Getreuen und Ruderknechte, die ihren Ruf vernommen hatten, sahen sich fragend an. Es dauerte nicht lange, und der erste ergriff sein Ruder und lief zu der am Heck kauernden Frau. Wie von Sinnen fing er an, auf sie einzuschlagen, und seine Kameraden folgten seinem Beispiel.
    Merenptah sprang augenblicklich auf die Beine und versuchte, die Männer von ihrem Tun abzuhalten. Diese waren jedoch in ihrem Schmerz und ihrer Wut rasend wie der Bulle am Ufer des Nil.
    »Was steht ihr da und glotzt nur blöd?«, herrschte er die Getreuen an. »Helft mir, die Männer auseinanderzutreiben! Sie schlagen die Frau sonst noch tot.«
    Wie aus einem Dämmerzustand gerissen, kamen die Krieger

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