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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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begriffen und tauchte die Landschaft in einen rötlichen Schein. Der Nil schimmerte golden. Hie und da kräuselte ein sachter Wind die Oberfläche des Wassers und erzeugte kleine Wellen, die in den Strahlen des Sonnengottes wie Funken von Edelsteinen aufblitzen. Amuns Atem spielte in den Wipfeln der Palmen und verfing sich im Schilf der Uferböschung. Von den Kochstellen an Land wehten Gesprächsfetzen zu den Menschen auf den Schiffen herüber, und der Duft der frisch zubereiteten Speisen ließ ihnen das Wasser im Munde zusammenlaufen.
    Es hatte bei der Abfahrt in Theben einige Verzögerungen gegeben, sodass der königliche Konvoi erst weit nach dem Mittag den Hafen verlassen konnte. Bis nach Abydos, wo Ramses an Land zu gehen gedachte, war es zu weit, sodass die Reise für den heutigen Tag beendet wurde.
    Die mit den Versorgungsschiffen vorausgefahren Diener waren inzwischen fleißig gewesen. Unter einem riesigen Baldachin standen kleine Tischchen, Blumengebinde und Lichter. Weiche Kissen luden die erlauchten Gäste zum Sitzen ein, und nur mit einem Perlengürtel bekleidete Dienerinnen reichten den hohen Herren und Damen Lotosblüten und befestigten duftende Wachskegel auf ihren Perücken. Außerhalb des Festraumes saßen Musiker mit Flöten, Tamburinen, Lauten und Harfen, um für die musikalische Umrahmung des Abendmahls zu sorgen.
    Ramses staunte nicht schlecht, als er seinen Fuß auf das Ufer setzte.
    »Ist das nicht ein wenig übertrieben?«, fragte er Meres mit gerunzelter Stirn.
    Der Palastvorsteher schüttelte verneinend den Kopf.
    Er sah es als seine oberste Pflicht an, für das Wohl seines Königs und der königlichen Familie sowie deren Gäste zu sorgen, selbst wenn es sich nur um eine Rast während einer Schiffsreise handelte. Alles sollte so sein, wie bei einem Festmahl im königlichen Palast zu Per-Ramses, um dem Pharao einen angenehmen Abend zu bereiten.
    Zu einem Mahl aus saftigem Rinderragout, Gänsebraten, gedünstetem Nilbarsch, geschmorten Nieren, Bohnenmus, süßsauren Linsen, knackigen Gurken und mit Honig beträufelten Kuchen wurde fruchtiger Wein aus den Oasen gereicht. Hinzu kam frisch gebrautes Bier sowie Melonensaft. Eifrige Diener schafften alles herbei, was die Gäste wünschten, füllten die Schalen und Becher nach, und allmählich begann die Stimmung immer fröhlicher zu werden. Als nach dem Essen der Innenraum freigeräumt wurde, um Platz für die Darbietungen einer kleinen Artistentruppe zu schaffen, war es ein einem König würdiges Fest unter freiem Himmel.
    »Na, Ramses«, sprach Bintanat ihren Halbbruder von der Seite an, »so langsam lernst auch du, wie man ein richtiges Fest ausrichtet.«
    Als Ramses über ihre Bemerkung ein unmutiges Gesicht zog, antwortete sie mit einer Grimasse.
    »Wenn du das sagst, liebe Schwester, dann darf ich das wohl als Lob auffassen«, erwiderte er säuerlich, und die Prinzessin lachte.
    Sie deutete eine kecke Verbeugung an und wandte sich von ihm ab, um ihren Blick über die Gäste schweifen zu lassen, bis sie den Mann gefunden hatte, den sie seit ihrem dreizehnten Lebensjahr abgöttisch liebte.
    Er stammte aus einem alten adligen Geschlecht, deren männliche Angehörige seit Jahrhunderten die einflussreichsten Posten bekleidet hatten. Er war für einen Mann des Schwarzen Landes unglaublich groß, größer sogar noch als der Pharao. Bintanat reichte ihm gerade bis zum Kinn. Und er hatte einen Körper, bei dem die Prinzessin jedes Mal ins Schwärmen geriet, wenn er nur mit einem Schurz bekleidet war.
    Verzückt starrte sie zu ihm hinüber.
    Dieser Mann war so wunderschön und begehrenswert, dass sie sich bis heute nicht sicher war, ob nicht der Große Gott Chnum diesen Leib eigenhändig nach dem Bilde der Götter auf seiner Töpferscheibe geformt hatte. Er war muskulös, vom Ringkampf und dem Umgang mit Streitwagen und Schwert gestählt, und trotzdem war dieser anbetungswürdige Mann kein Soldat. Sein kahler Schädel, sein vom König verliehener Siegelring und sein Amtsstab wiesen ihn als einen Angehörigen der Priesterschaft aus, als den Vorsteher der Priester des Großen Gottes Osiris.
    »Amunhotep«, hauchte sie hingebungsvoll, als sie ihn verstohlen betrachtete.
    Amunhotep war sieben Jahre älter als sie, doch was das Wichtigste war, er war nicht vermählt. Keine Frau hatte es bisher geschafft, sein Herz zu erobern. Es gab für ihn nur sein Priesteramt und die Schriften der Weisen.
    Gelangweilt rümpfte die Prinzessin bei diesem Gedanken die Nase.

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