Das Geschenk: Roman
vielleicht zu früh.«
Roxanne musterte Eleanor mit einem fragenden Blick. »Haben Sie Kinder?«
Eleanor schüttelte den Kopf. »Ich war nie verheiratet.«
»Moment mal – Sie wollen mir weismachen, dass eine schöne, kluge und erfolgreiche Frau wie Sie es nicht geschafft hat, einen anständigen Mann zu finden, der sie liebt?«
»Vielleicht bin ich gar nicht so schön, klug oder erfolgreich.«
»Schauen Sie mal in den Spiegel, Kleine. Und ich bezweifle, dass Sie mit einem Mann wie Max Powers zusammenarbeiten würden, wenn Sie nicht mit verdammt viel Talent und jeder Menge Hirn ausgestattet wären.«
»Na ja, es kommt schon mal vor, dass Menschen allein bleiben … alle möglichen Menschen.«
»Ja, sicher, und es gibt immer einen Grund dafür. Wollen Sie mir Ihren nicht verraten?«
Eleanor senkte den Blick und spielte nervös mit den Fingern, während Roxanne sie aufmerksam beobachtete. »Warten Sie mal, vielleicht kann ich den Grund erraten. Sie haben jemanden gefunden, der Sie liebt, nur hat es irgendwie nicht funktioniert … vielleicht hat er nie diese überaus wichtige Frage gestellt, auf die eine Frau so unendlich gern mit ›Ja‹ antwortet, und am Ende haben Ihre Wege sich getrennt. Bis Sie ihn in diesem Zug wiedergesehen haben«, fügte sie leise hinzu.
Eleanor hob irritiert den Blick.
»So wie Sie und Tom Langdon miteinander umgehen, ist es kaum zu übersehen. Hinzu kommt der Klatsch und Tratsch, für den gerade der Chief berühmt ist.«
Eleanors Gesicht lief rot an. »Du meine Güte, wenn ich geahnt hätte, wie leicht ich zu durchschauen bin … Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr es mich erleichtert, dass so viele Leute, die ich gar nicht kenne, von meiner romantischen Geschichte wissen – oder vielleicht sollte ich besser sagen, von meinem romantischen Fiasko.«
»Ich bin nicht neugierig, aber ich kann gut zuhören.«
Eleanor atmete tief durch und blickte Roxanne an. »Tom Langdon ist ein Streuner. Das war er immer, und er wird es immer sein. Er braucht das Abenteuer, braucht die Veränderung so nötig wie andere Menschen ihr tägliches Brot. Er ist ein Mann, der keine Verpflichtung eingehen kann, selbst wenn sein Leben davon abhinge. Und er hat mich nie gefragt, ob ich seine Frau werden will.«
»Aber so wie ich es sehe, haben Sie ihn jahrelang nicht zu Gesicht bekommen. Vielleicht hat er sich geändert.«
Eleanor schüttelte den Kopf. »Männer wie er ändern sich nie. Er ist wieder in den Staaten, reist herum und schreibt läppische Artikel, statt über Kriege in Übersee zu berichten. Aber dabei wird es bestimmt nicht bleiben. In ein paar Monaten wird er wieder in der Weltgeschichte unterwegs sein und irgendwas anderes tun. Ich habe einige Jahre mit ihm gelebt. Ich weiß, wie er denkt.« Sie hielt für einen Moment inne. »Außerdem hat er eine Freundin«, fügte sie dann hinzu. »Er trifft sie in Los Angeles.«
»Meinen Sie, es ist was Festes?«
»Das bezweifle ich.«
»Sie hoffen es, nicht wahr?«
Eleanor antwortete nicht.
»Folgen Sie Ihrem Herzen, Mädchen«, meinte Roxanne. »Wenn Sie ihn wirklich lieben, sollten Sie ihm noch eine Chance geben. Es könnte Ihre einzige Chance sein, Ihr Glück zu finden.«
»Und wenn die Gefühle sich im Lauf der Zeit geändert haben? Wenn man nicht mehr derselbe Mensch ist, der man früher war?«
»Eleanor, die Liebe ist wie starkes Holz, das mit den Jahren immer fester und härter wird. Lassen Sie sich das von jemandem gesagt sein, der die Liebe einst geschenkt bekam und sie verlor, weil der Herr entschied, dass es an der Zeit sei, Junior zu sich zu rufen. Es klingt altmodisch, ich weiß, aber die Liebe ist das Einzige, das zwischen zwei Menschen von Bedeutung ist. Wirklich das Einzige.«
KAPITEL 22
Kansas City war eine wichtige Zwischenstation, an der zahlreiche Fahrgäste ein- und ausstiegen und der Zug längere Zeit Aufenthalt hatte, während die Loks betankt und die Vorräte aufgefrischt wurden. Roxanne begleitete die Frau, die mit dem Zephyr nach Denver fahren wollte, zum richtigen Bahnsteig. Tom nutzte die Gelegenheit, auszusteigen und ein wenig frische Luft zu schnappen, ehe Steves Junggesellenabschiedsparty begann. Der Worte von Herrick Higgins eingedenk, sah Tom zu, wie weitere Vertreter Amerikas in den Zug stiegen, zweifellos mit Geschichten, die sie zu erzählen hatten, Erfahrungen, die sie teilen konnten, und vielleicht auf der Suche nach Freundschaften, die sie schließen wollten, so kurzlebig sie auch sein
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