Das Geschenk: Roman
geschützte Stelle und nahmen eine rasche Mahlzeit ein, obgleich das Wasser, das sie mitgenommen hatten, fast vollständig zu Eis gefroren war. Sie ruhten sich eine Weile aus; dann setzten sie ihren Weg fort.
»Ich weiß nicht, ob ich auch nachts noch auf den Skiern herumstolpern möchte«, sagte Eleanor, als die Dunkelheit hereinbrach. »Vielleicht sollten wir hier irgendwo ein Lager aufschlagen.«
»Gute Idee. Weit können wir von diesem Skihotel nicht mehr entfernt sein.« Das hoffte Tom zumindest, denn ihm kam es so vor, als hätten sie sich keine zehn Meter vom Zug entfernt.
Sie schlugen ihr Zelt auf, und Tom brachte mithilfe einer Tafel Hartspiritus ein Feuer in Gang, auf dem sie sich eine kleine Mahlzeit kochten und das zu Eis gefrorene Trinkwasser schmolzen. Nach der kargen Mahlzeit kauerten sie sich gemeinsam unter die mitgebrachten Decken, um die Körperwärme zu speichern, wobei sie beobachteten, wie der Schnee sich rund ums Zelt sammelte und auftürmte.
Der Wind schien nachzulassen, und allmählich wurde es still. Sie konnten sich jetzt unterhalten, ohne schreien zu müssen.
»Nur damit du Bescheid weißt, ich habe Lelia mein Nein mitgeteilt. Sie hat es sehr gefasst aufgenommen.«
»Das überrascht mich.«
»Ging mir nicht anders, bis ich durch Zufall herausfand, dass Lelia schon einen neuen Verehrer hat.«
»Wie bitte? Wen?«
»Kristobal.«
»Kristobal? Du machst Witze.«
»Ich bin sicher, die beiden werden glücklich. Lelia kann sich eine neue Comicfigur ausdenken, die eine Boa constrictor zum Vorbild hat und ›Kris der Stock‹ heißen könnte.«
Sie verstummten und drängten sich dichter aneinander.
»Wir müssen Wärme speichern«, erklärte Tom.
»Natürlich.« Ellie seufzte. »Hör mal, falls wir nicht zurückkommen …«
Er legte ihr einen Finger auf die Lippen. »Wir müssen optimistisch sein. Positiv denken. Misty hätte sicher eine esoterische Erklärung.«
Eleanor ergriff seine Hand und drückte sie. »Falls wir nicht zurückkommen … eins sollst du wissen.«
Seine Miene wurde ernst. »Was?«
»Ich habe niemals aufgehört, dich zu lieben. Auch nicht nach all den Jahren.«
Er legte ihr einen Arm um die Schultern. »Wir schaffen das schon.«
Während Eleanor fröstelte, drückte Tom sie mit beiden Armen an sich und versuchte, sie mit seinem Körper zu wärmen.
»Wer hätte gedacht, dass wir uns nach so langer Zeit wiederfinden, nur um an einem Berghang inmitten eines Schneesturms zu landen?«, sagte sie.
»Das passt zu uns. Wenn es etwas Einfaches wäre, könnte es ja jeder!« Er versuchte zu lachen, doch seine Lippen waren wie eingefroren.
Dann erinnerte er sich daran, welcher Tag war.
»Eleanor?«
Sie schaute ihn an. » Eleanor? Wo ist denn Ellie geblieben?«
»Eleanor«, wiederholte er feierlich. »Frohe Weihnachten.«
Sie brachte ein Lächeln zustande. »Frohe Weihnachten.«
Er holte irgendetwas aus der Reißverschlusstasche seines Anoraks. »Ich weiß, das ist jetzt der unglücklichste Zeitpunkt, den man sich denken kann – aber wie ich schon sagte, bin ich ein Meister des schlechten Timings.« Er erhob sich, kniete sich hin und steckte ihr behutsam den Ring an den Finger.
Sie blickte ihn an. Ihre Lippen öffneten sich, und ihre Augen weiteten sich vor Erstaunen.
»Wir haben lange darauf gewartet – viel zu lange. Du bist die einzige Frau, die ich je geliebt habe, Ellie, und ich werde alles tun, um dich glücklich zu machen. Nimmst du mich mit all meinen Fehlern, Schwächen, Eigenarten, Sturheiten – und meiner gelegentlich himmelschreienden Dämlichkeit?« Er hielt inne, atmete tief durch und fragte dann: »Willst du mich heiraten, Eleanor?«
Kaum hatte Ellie »Ja« gesagt, strömten die Tränen.
Sie hatten gerade ihren offiziellen Verlobungskuss ausgetauscht, als das Zelt wegflog. Eine Ladung Schnee ergoss sich auf sie und begrub sie beinahe unter sich. Tom wühlte sich durch die Schneeschicht und zog Eleanor heraus.
»Wir müssen einen Schutz suchen«, brüllte er gegen den wieder erstarkten Sturm an.
Sie kämpften sich weiter, wobei Eleanor von Minute zu Minute schwächer wurde, bis sie nicht mehr ohne fremde Hilfe gehen konnte. Tom schleppte sie ungefähr noch eine Viertelmeile; dann war auch er mit den Kräften am Ende. Er bettete Ellie in den Schnee, schlüpfte aus seiner Außenjacke und deckte sie damit zu. Dann verschaffte er sich einen Überblick über die unmittelbare menschenfeindliche Umgebung. Soweit er erkennen konnte, befanden sie sich
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