Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
diesen Kommissionen.«
    »Walter!« rief Lisa Mainetti entsetzt.
    »Man hat es mir gezeigt. Diagnosen und Empfehlungen, unterschrieben mit Rusch. Ich habe meine Unterschrift als Gegenbeweis gegeben. Man sagt, ich verstelle meine Schrift jetzt. Ich habe zu beweisen versucht, daß dieser Dr. Rusch neun Jahre jünger ist als ich. Man sagt: ›Sie haben jetzt gefälschte Papiere. Alle Nazis haben falsche Papiere. Sie sind dieser Rusch. Sie haben Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Gestehen Sie!‹ Ich habe gerufen: ›Dieser Rusch ist doch Psychiater – ich bin Chirurg!‹ Und man hat mir geantwortet: ›Alles Tarnung. Nirgendwo steht, daß dieser Rusch Psychiater ist.‹ Und Urban, dieses Schwein, beschwört, daß ich dieser Dr. Rusch bin.«
    Major Braddock kam ins Zimmer. Er hatte ein grünes amerikanisches Hemd über dem Arm und einen wütenden Ausdruck im Gesicht.
    »Diese sturen Gehirne!« schrie er bei offener Tür. »Ich weiß, was man Ihnen vorwirft, Professor. Idioten sind das! Aber sie lassen nicht mit sich reden. Sie wollen für das Geld, das man ihnen zahlt, auch was tun. Also machen sie Mist. Nachher entschuldigen sie sich und werfen Sie auf die Straße. Sie werden sehen, so kommt es! Nur weil es zwei Ruschs gibt, spielen sie verrückt. Dabei stehen Sie auf der Liste jener Personen, denen wir ein Angebot für die USA machen wollen. Ein Freundesangebot! Es sollte mich nicht wundern, wenn dieser andere Rusch in die Staaten fährt. Es ist zum Kotzen mit der Militärbürokratie!«
    Er warf Rusch das olivenfarbene Hemd hin und nickte. »Ist ganz neu. Ziehen Sie es an, Professor!«
    »Morgen wird man es mir wieder abnehmen.«
    »Ich habe es gekauft.«
    »Das weiß aber der Campleutnant nicht!«
    »Dann lasse ich Ihnen mit Farbe auf den Rücken schreiben: Dieses Hemd kaufte Major James Braddock!« brüllte der Major.
    Zwei junge Offiziere kamen ins Zimmer. Sie trugen einen Stapel Schriftsachen und warfen sie auf den Tisch.
    »Okay!« sagte der eine. »Sie können fragen, Miß Doktor.«
    Rusch starrte auf die Röntgenplatten, die neben seinen Händen lagen. Er erkannte die Formulare, auf denen man die Krankengeschichten schrieb, und seine Hand tastete langsam nach einem der großen entwickelten Filme.
    »Was – was soll das, Lisa?« fragte er vor innerer Erregung.
    »Die neuen Krankengeschichten, Walter«, sagte Dr. Mainetti fest. »Ich wollte sie dir zeigen und dich um Rat fragen. Manchmal komme ich nicht mehr weiter. Du fehlst uns überall.«
    Major Braddock zog die Luft laut durch die Nase ein. Er sah, wie die Augen Ruschs sich belebten, wie er über die Zeilen der oberen Krankengeschichte las und wie sein Gesicht sich straffte und so etwas wie eine leichte Röte durch die bleiche Haut schimmerte. Wie gut sie ihn kennt, diese Frau, dachte er. Man muß ihn wirklich beneiden, ohne sich dafür zu schämen.
    »Noch eine halbe Stunde habt ihr«, sagte Major Braddock. »Ich will sehen, ob ich diese sturen Hunde nicht doch zum Bellen bekomme.«
    Dann waren sie wieder allein, nur der stumme Posten stand an der Tür, unbeweglich, mit starrem Gesicht, wie hingemalt. Er störte nicht, er war ein Teil des Zimmers wie das ausgespannte Sternenbanner an der Wand.
    Aufmerksam las Rusch die einzelnen Krankengeschichten und hob die Röntgenplatten gegen das Licht, das fahl durch das schmale Fenster drang. Nach der vierten Platte lächelte er leicht vor sich hin. Er erkannte sie wieder, auch wenn die Namen weggewischt und durch neue ersetzt worden waren. Sein bewundertes Gedächtnis hatte nicht gelitten. Dies war der Mann aus Dresden, dachte er, als er eine neue Platte hochhielt. Ich habe ihm ein neues Schläfenbein gemacht. Und das hier ist ein Unteroffizier aus Wuppertal gewesen. Ein schwerer Fall. Neben dem Unterkiefer war der Oberkiefer gespalten, als habe ein Beil ihn durchhackt. Der ganze Nasenraum hatte offen gelegen.
    Liebe, liebe Lisa – es ist ein herrlicher, ein das Herz weitender Betrug. Ich danke dir dafür.
    »Wann eingeliefert?« fragte er und spielte die Komödie mit.
    »Vor neun Wochen. Aus einem anderen Lazarett.«
    »Ein schwerer Fall, Lisa.«
    »Darum komme ich ja zu dir, Walter. Nur du kannst hier raten, was ich tun soll.«
    Er nickte, legte die Röntgenplatte vorsichtig auf den Tisch zu den anderen zurück und küßte Lisa mit einer zitternden, fast vergehenden Innigkeit.
    »Du bist alles, was ich jetzt noch habe«, sagte er leise. »Und doch fühle ich mich reicher als je zuvor. Und stärker,

Weitere Kostenlose Bücher