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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und die stummen Fragen mit einigen dummen Bemerkungen zur Seite geschoben hatte, war nach Bernegg gefahren, um sich mit der Kleiderkarte ein Hemd zu kaufen. Wie ein Aussätziger lag Schwabe in dem stillen, großen Zimmer, den dicken Verband über dem Gesicht und die unbeantwortete Frage wie eine Zentnerlast auf dem Herzen: Ist die Operation diesmal gelungen?
    In Bernegg hatten sich Frau Hedwig Schwabe und Ursula eine Zweizimmer-Wohnung gemietet. Dr. Mainetti hatte sie durch den Bürgermeister besorgen lassen, nachdem das Wohnungsamt in guter, deutscher Art gesagt hatte: »Eine Wohnung? Wo denken Sie hin. Vierhundertachtzig Antragsteller sind vor Ihnen dran. Und dann noch ortsfremd? Gehen Sie doch nach Köln zurück, die sind da zuständig für Sie.«
    Der Bürgermeister fand schließlich zwei Zimmer, unter dem Dach der Schule, wo man früher alte Karten und ausrangierte Schulbänke aufbewahrt hatte. Als Gegenleistung statt der Miete putzte Frau Schwabe die Schulklassen. Außerdem legte sie einen Schulgarten an, und man versprach ihr, sie dürfte von der kommenden Ernte die Hälfte behalten.
    In ihrem Dachzimmer hatte sich Ursula eine winzige Schneiderwerkstatt eingerichtet. Sie hatte vor ihrer Ehe mit Erich Schwabe in einer Schneiderei gelernt, und es reichte aus, um alte Wehrmachtsmäntel in flotte Ulster umzunähen, Jacken zu wenden oder aus gefärbten Decken und Katzenfellen modische Wintermäntel zu nähen. Auch hierbei hatte ihr Dr. Mainetti geholfen. In dem Geräteschuppen, in dem noch immer ›Berneggs Geheimwaffe‹, das uralte Auto Fritz Adams, verrostete, fand man eine fast neue Nähmaschine, die von den amerikanischen Soldaten irgendwo mitgenommen worden war. Wozu, das wußte niemand mehr, denn nie hatte jemand einen der US-Soldaten an der Nähmaschine gesehen. Vielleicht war es auch nur ein ausgefallenes und dann wegen der Größe zurückgelassenes ›Souvenir from Germany‹.
    Nachdem der Bürgermeister von Bernegg die Nähmaschine vierzehn Tage lang auf dem Schwarzen Brett dem Besitzer zur Rückgabe angeboten und sich niemand gemeldet hatte, durfte Ursula die Maschine zunächst leihweise auf ihr Zimmer nehmen.
    So fing die Tätigkeit im ›Atelier Schwabe‹ an, wie Professor Rusch Ursulas nächtliche Arbeit nannte. Erst, wenn die kleine Erika in Omas Zimmer fest schlief, setzte sich Uschi an die Nähmaschine, und das rhythmische Rattern klang die ganze Nacht hindurch bis in den frühen Morgen. Dann schlief Ursula ein paar Stunden, Frau Schwabe kochte die erste Milch für Erika und weckte dann ihre Schwiegertochter, denn es war Zeit, daß sie die Klassen ausfegte und die Räume in Ordnung brachte, bis um 8 Uhr die Kinder kamen.
    Mit der Zeit spielte sich alles gut ein. Sogar aus Würzburg kamen Frauen nach Bernegg zu Ursula und brachten alte Kleider und neue, getauschte Stoffe. Es sprach sich herum, daß die kleine blonde Frau fleißig und gut arbeitete und weniger Lohn nahm als ihre Kolleginnen in der Stadt. Für einen halben Liter Öl nähte sie ein neues Kleid, und die Umänderung einer Wehrmachtsjacke in ein grünes Jägerjackett kostete zehn Pfund Kartoffeln und ein halbes Pfund Speck. Das zusätzliche Bargeld zählte nicht. Was war es denn noch wert? Wenn eine amerikanische Zigarette 6 Mark kostete und ein Pfund Butter 400 Mark. Was sind da 100 Mark für ein schickes Kostüm aus weichen holländischen Flauschdecken?
    Im Juli bekam sie eine neue Kundin. Lisa Mainetti brachte ihr einen dunkelblauen Kostümstoff, ein Vorkriegsstoff, der in all den Jahren im Schrank Lisas gelegen hatte und auf die Gelegenheit gewartet hatte, die jetzt bevorstand.
    »Für das Standesamt«, sagte Dr. Mainetti. »Wenigstens an diesem Tage will ich etwas Neues anziehen.«
    Ursula nahm Maß, aber so sehr Lisa darauf wartete – Ursula fragte nicht nach Erich. Er arbeitete unterdessen im Garten, schnitt die großen Rasenflächen, pflegte die Blumenrabatten und hatte vor allem einen Gemüsegarten angelegt, der die Spezialklinik von den unzureichenden Lebensmittelzuteilungen unabhängig machen sollte.
    Noch 64 Gesichtsverletzte waren auf dem Schloß. Block A und C waren geräumt und umgestaltet worden. Die Krankenzimmer und Säle waren zu Wohnräumen geworden, in denen man die endlosen Flüchtlingskolonnen unterbrachte, die aus Ostdeutschland und der Tschechoslowakei nach dem Westen strömten. Die ausgewiesenen Familien wohnten einige Wochen in den Schloßgebäuden, bis sie weitergeleitet wurden, in die ländlichen Gebiete

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