Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
ist mit Erich?« Adam wandte sich an Dr. Mainetti. »Ich habe seit Monaten keine Nachricht von ihm. Meine Karten kamen als ›unzustellbar‹ zurück. Wir alle haben ihn damals um seine Frau und seine Mutter beneidet. Als wir, wie man so sagt, auf der Schnauze lagen, hat er uns mit seinem verteufelten Glauben an die Zukunft aufgerichtet. Das ist doch nicht möglich, daß der Erich jetzt …«
    »Er ist hier.«
    »Hier?« Dora Adam sprang auf. »Im Schloß?«
    »Ja. Als Gärtner. Und Walter Hertz ist auch hier.«
    »Der Walter auch?« Adams Stimme war leise, sie schwankte. »Was ist denn mit seiner Petra? Sie hatte ihn doch selbst von Braddock abgeholt.«
    »Es ist wie bei Oster. Die Umwelt stößt ihn zurück. Ein Mensch ohne Gesicht ist den Gesunden ein Greuel.« Dr. Mainettis Stimme war voller Bitterkeit. »Hertz und Schwabe kamen zu uns zurück, weil sie noch soviel Lebensmut hatten, nicht das zu tun, was Oster tat. Aber wie es weitergehen soll – ich weiß es nicht.« Lisa hob die Arme und ließ sie hilflos sinken. »Manchmal kommen sie mir vor wie aus dem Nest gefallene junge Vögel, die keiner ihrer Art mehr annimmt, wenn eine fremde Hand sie berührt hat.«
    »Kann ich mit Walter und Erich sprechen?« fragte Adam und sprang auf.
    »Natürlich.« Rusch stand am Fenster und blickte hinaus in den schon wieder vor Hitze flimmernden Park. »Aber es wird wenig Sinn haben. Sehen Sie, da sind sie, die beiden siamesischen Zwillinge.«
    Adam und Dora traten ans Fenster. Unter den Bäumen am Teich kehrten Schwabe und Hertz mit großen Reisigbesen, die sie selbst hergestellt hatten, die Wege von Blättern sauber. Beider Gesichter waren wieder mit Leukoplast verklebt, so als läge kein Jahr zwischen dem Abschied auf dem Bahnhof von Würzburg und heute. Sogar die alten Drillichanzüge trugen sie. Das POW der Amerikaner hatte man zu entfernen versucht. Da es zu fest in den Stoff eingesogen war, hatte man Drillichlappen darüber genäht. Nun sah es aus, als hätten sie im Rücken ein aufklappbares Fenster.
    Fritz Adam trat wieder in den Raum zurück. Sein verschmortes, verbranntes Gesicht zuckte. Dora hielt seine rechte Hand fest, und Lisa bemerkte, wie sie sie heimlich und beruhigend drückte.
    »Wir würden, wenn es geht, Herr Professor, einige Wochen hierbleiben, Dora und ich. Wir haben uns Urlaub genommen und etwas erspart, um diese Zeit zu überbrücken. Ich möchte, daß Sie mir eine Reihe der Narben auftrennen und das linke Ohr formen. Aber nur, wenn es geht.«
    Rusch nickte. »Die Narben, sicherlich. Aber mit dem Ohr, Adam. Sie wissen, daß der Mensch nicht so viel Knorpel besitzt, daß wir ein neues Ohr aufbauen können. Aus Amerika hört man jetzt viel von Kunststoffohren, die man einsetzen kann. Aber bis zu uns ist noch nichts gedrungen. Wir müssen noch nach den altbewährten Methoden arbeiten. Als Mediziner wissen Sie, wieviel Knorpel man zum Aufbau einer Ohrmuschel braucht. Woher nehmen?«
    »Schnippeln Sie an mir herum, so gut es geht.« Fritz Adam warf wieder einen Blick auf die beiden arbeitenden Männer im Park. »Vielleicht gelingt es mir und Dora, die beiden Einsiedler umzustimmen.«
    Dr. Mainetti hob die Schultern. »Es wäre alles kein Problem, wenn sie einen äußeren Halt hätten.«
    »Ja, Hertz kann ich noch verstehen. Aber Schwabe? Er hat doch eine liebe, hübsche Frau, und auch das Kind ist doch da.«
    Dr. Mainetti sah Adam stumm an.
    »Ach so«, sagte er und senkte den Kopf. Er verstand plötzlich. »So ist das.«
    »Schwabe braucht Zeit – aber ob er sie durchhält?«
    »Ich werde mit ihm sprechen.« Fritz Adam faßte Dora unter. »Und den Wastl, den Berliner und den Bloch hole ich auch hierher. Schließlich war ich der Stubenälteste. Und hier geht es nicht um den einzelnen, sondern es ist unser aller Problem. Wir haben versprochen, uns gegenseitig zu helfen. Bei Oster haben wir versagt – wir wußten ja von nichts. Aber hier können wir helfen, ehe es völlig zu spät ist.«
    Drei Tage später traf der Wastl Feininger in Bernegg ein. Keuchend trabte er den Schloßberg hinauf und schleppte einen dicken Rucksack auf seinen breiten Schultern. Sein Gesicht hatte sich etwas verändert, und die Narben der transplantierten Hautlappen lagen auf der Haut wie kleine, runde, pralle Weißwürste. An dem großen Rollappen, mit dem er entlassen worden war, hatte niemand etwas verändert. Er wabbelte noch immer an seiner Gesichtsseite; wie ein Henkel sah er aus, an dem man den Kopf in die Höhe heben

Weitere Kostenlose Bücher