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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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konnte.
    »Kruzidonnerwetter«, brüllte der Wastl, als er in der Halle von Block B stand und der Famulus Baumann ihn in die Rippen boxte. »Nix hot sich verändert, sogar der saudumme Baumann is do, der damische Hirsch. Und wo san d'andern? Holodrio.« Er jodelte mit erhobenem Kopf und aufgerissenem Rachen das Treppenhaus hinauf und wuchtete seinen schweren Rucksack auf den blanken Steinboden. »Und z' fressen hob i dabei. Eigenschlachtung, ös vertrocknete Zwetschgn. An Kuchen von der Resi. Und drei Büchsen Schmalz.«
    Mit dem Nachmittagszug traf Paul Zwerch, der Berliner, ein. »Det ick hier bin, is reine Kameradschaft«, verkündete er als erstes bereits unten in der Halle, als ihn Adam, der Wastl, Schwabe und Hertz umringten. »Mensch, 'ne Puppe saß im Zug. Hellblond, Oojen wie 'n Schaukelpferd und Kurven wie de Avus. Det gab vielleicht 'n Zucken in meenem Maisgrießherz. Und se hat mir anjeblinzelt – so, Kameraden, mit 'nem Blick wie sechs Steppdecken. Aba ick habe mir jesagt: Die Kameraden warten uff dir, und vazichten ist jetzt die erste Bürgerpflicht.«
    Kaspar Bloch kam nicht. Er war mit seinem Vater auf einer Vortragsreise in Schweden. Er schickte ein Telegramm: »Macht's gut, Jungens. Beim nächsten Treff bin ich dabei.«
    »So, det wär'n wa nun«, sagte der Berliner, als sie ihre Betten in der Stube B/14 gebaut hatten. Er legte zwei Päckchen Spielkarten auf den Tisch und zog seinen Rock aus. »Und nu 'n Doppelkopp, det et kracht. Ick kenn' da 'n paar neue Tricks – die Hosen zieh' ick euch vom Hintern.«
    Erich Schwabe saß auf seinem Bett. Vor vier Tagen hatte man ihm einen breiten Hautlappen zur Deckung der linken Wangenpartie transplantiert. Er sah im Augenblick so deformiert aus wie kurz nach seiner Einlieferung 1944. Fritz Adam hatte drei Tage lang mit ihm gesprochen und nichts erreicht als die Bemerkung: »Wenn du weiter über diese Dinge redest, lass' ich mich auf ein anderes Zimmer verlegen. Ich will meine Ruhe haben, verstehst du. Endlich Ruhe.«
    »Eins will ich euch gleich sagen«, Schwabe sah in die Gesichter, die sich ihm zuwandten, »wenn ihr hierhergekommen seid, um ein großes Palaver mit mir zu veranstalten – spart euch den Atem. Ich weiß, daß ihr alle Pfundskerle seid und daß wir versprochen haben, uns gegenseitig immer zu helfen. Aber ich brauche keine Hilfe. Bei mir ist alles in Ordnung. Ich fühle mich wohl, so wie es jetzt ist. Und auf eine solche Dummheit wie Oster komme ich auch nicht. Ich habe jetzt andere Freuden. Da ist Otto …«
    »Otto ist eine Grünmeise«, erklärte Walter Hertz.
    »'ne Meise haste im Jehirn«, sagte der Berliner und warf die Karten, die er gerade mischte, auf den Tisch zurück. »Seh' ick aus wie'n Pastor, der dir zureden will? Jut, vielleicht hat deene Uschi mal an'n falschen Jlas jenippt – Mensch, trinkste denn selbst imma Himbeerwasser? Mensch, Erich – stell dir nicht an wie 'n Heiliger.«
    »I hob mit zwoa Sennerinnen a Kind«, schrie der Wastl entrüstet. »Jessesmaria – wenn's Resl oiwei so an Spektakel machn tät. Dös ganze Lebn war ja koa Freud nimma!«
    »Ich habe nicht gewußt, daß die Stube B/14 wirklich aus lauter Idioten besteht«, sagte Erich Schwabe laut. Dann stand er auf und verließ demonstrativ das Zimmer. Auf dem Flur stieß er auf Baumann.
    »Ich möchte auf ein anderes Zimmer«, sagte Schwabe.
    »Was anderes habe ich von dir auch nicht erwartet.«
    »Na also. Und wie ist's?«
    »Schlaf im Schuppen.«
    »Auch gut.« Schwabe hob die Schultern und verließ den Block B. Er ging um den Teich herum spazieren, setzte sich dann unter einer alten Linde ans Ufer und warf Steinchen über die glatte im Schein der Abendsonne goldene Wasserfläche. So traf ihn Dr. Mainetti an, die von dem kleinen Schloßfriedhof herüberkam.
    »Das habe ich auch als Kind gemacht«, sagte sie und setzte sich neben Schwabe in das schattige Gras. »Zwölfmal habe ich einen Stein über die Oberfläche flitschen lassen, aber das ist mir nur ein einziges Mal gelungen.«
    »Warum laßt ihr mich nicht in Ruhe?« sagte Schwabe dumpf. »Merkt ihr denn nicht, daß ich um so weniger will, je mehr ihr auf mich einredet? Es hat keinen Sinn – bitte, merken Sie sich das auch, Frau Doktor. Ich bin jetzt ›drüber‹, wie man so sagt. Und ich kann dieses Gewäsch nicht mehr hören. Sagen Sie das auch den anderen.«
    »Gut also, Schwabe.« Lisa Mainetti erhob sich und warf die Steine, die sie in die Hand genommen hatte, auf einmal in den Teich. »Wir werden

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