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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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setzte sich in seiner Kehle als harter Kloß fest. »Dr. Mainetti ist eine tolle Frau. Wenn wir die nicht hätten.«
    »Und Sie glauben, daß sie es tut?«
    »Bestimmt. Geht es am nächsten Donnerstag?«
    Petra Wolfach zögerte einen Augenblick. Ins Kino, dachte sie. Was werden meine Freundinnen sagen, wenn ich mit ihm ausgehe? Was werden die Leute denken? Man wird uns nachsehen und die Köpfe zusammenstecken. Wie kommt die Petra an einen solchen Mann? Ein Mann ohne Gesicht. Und was wird Vater sagen?
    »Ja!« sagte sie fest, um sich selbst von der Richtigkeit ihres Entschlusses zu überzeugen. »Ja. Es geht.«
    »Wir treffen uns vor dem Kino. Um halb acht?«
    Petra nickte. Im Kino war es dunkel. Da sieht man sie nicht. Und was nach dem Kino sein würde, das mußte man abwarten. Vielleicht konnte man sitzenbleiben, bis alle das Kino verlassen hatten, und als letzte gehen?
    »Donnerstag um halb acht«, sagte sie. »Ich besorge die Karten, einverstanden?«
    »Einverstanden!« In Walter Hertz' Stimme schwang Jubel. »Und nun freue ich mich auf den Tanz nach der Feier! Können Sie tanzen, Petra?«
    »Ja.«
    »Ich auch! Ich war der Beste im Tanzkursus der Pennäler! Walzer links 'rum und rechts 'rum, wie gewünscht. Kinder, ist das ein schönes Weihnachtsfest!«
    Es brach aus ihm heraus wie eine wilde Woge, und sie war so urgewaltig, daß sie auch Petra Wolfach mitriß.
    »Ja, ich freu' mich auch!« lachte sie, wie befreit. »Und vor allem Tango tanze ich gern.«
    »Tango. Da war ich unschlagbar!«
    Und plötzlich hielten sie sich an den Händen wie zwei erwartungsvolle Kinder und sahen der Bescherung zu, die auch an ihnen nicht vorbeigegangen war.
    Nur wußten sie es noch nicht.
    In einer anderen Ecke des Gemeinschaftssaales saßen Erich Schwabe und seine Mutter. Sie hatten sich alles erzählt, was zu erzählen war, hundert Kleinigkeiten vom Leben in Köln, und die weniger großen Sorgen, die in den langen Nächten im Klinikbett geboren worden waren. Nun war von allem nur eine einzige Frage übriggeblieben, und jeder dachte im Innern anders darüber, ohne es dem anderen zu gestehen: Wie wird die Zukunft sein? Gab es noch einen Anschluß an das Gestern, oder begann mit einem Gesicht auch ein völlig neues Leben?
    »Du hast Ursula alles erzählt?« fragte Erich Schwabe seine Mutter. Man hatte ihm verschwiegen, daß seine Frau über die Mauer hinweg einen Blick auf die zerstörten Gesichter geworfen hatte und ahnte, wie Erich aussah.
    »Ja, mein Junge«, sagte Frau Schwabe tapfer. »Sie hat gesagt: Deshalb bleibt er doch immer der Erich.«
    »Aber wenn sie mich so sieht, Mutter? Sie macht sich doch gar kein Bild, wie ein Mensch ohne … wie er eben aussieht, wenn er so ist wie ich.«
    »Ich habe ihr alles erklärt. Sie war wirklich tapfer, die Uschi. Und sie hat zwei Tage lang geweint, daß sie gerade jetzt die Grippe bekommen mußte und nicht mitfahren konnte.«
    Wie gut ich lügen kann, dachte Frau Schwabe. Ich habe es nie gekonnt. Man sieht dir jede Unwahrheit an den Augen an, hatte ihr Mann, der Glasermeister Schwabe, einmal gesagt, als sie ihm verheimlichen wollte, daß sie ihr Portemonnaie mit 150 Mark darin verloren hatte. Und jetzt ging es ihr so glatt von den Lippen, und auch ihre Augen verrieten die Wahrheit nicht mehr.
    »Ich werde Vaters Geschäft wieder aufbauen«, sagte Erich Schwabe. »Nach dem Krieg wird es viel Arbeit geben. Stell dir vor, wieviel zerstörte Häuser bloß in Köln wieder aufgebaut werden, wieviel Fenster verglast werden müssen! Da habe ich gar keine Sorge, Mutter. Angst habe ich nur, daß sich Uschi an meinen Anblick nicht gewöhnen kann.«
    »Du bist immer noch ein dummer Junge!« sagte Frau Schwabe streng. Sie gab Erich einen leichten Klaps auf den Hinterkopf, ganz sacht, so daß es mehr wie eine Liebkosung war. Erich Schwabes Augen lächelten.
    »Wenn man wochenlang nachts wach im Bett liegt, kommen einem viele Gedanken, Mutter. Und wenn der Krieg zu Ende ist, werden viele gesunde Männer zurück in die Heimat kommen. Und eine so hübsche Frau wie Uschi …«
    »So eine Dummheit!« rief Frau Schwabe. »Uschi und ein anderer Mann! Das ist wirklich das Dümmste, was du je gesagt hast, Erich! Wenn andere Männer so eine treue Frau hätten wie du …«
    »Sie hat mich anders in Erinnerung, als ich jetzt bin.«
    »Ach was!« Frau Schwabe wischte mit der Hand durch die Luft. Sie sah Dr. Mainetti in den Saal kommen und atmete auf. »Da kommt die Frau Doktor«, rief sie ablenkend. »Ich werde

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