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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ursula antworten konnte, heulten oben die Sirenen wieder auf. Vielleicht war es nur ein Störangriff. Aber auch ein kleiner Angriff brachte Trümmer und Tote, Feuer und Leid.
    Feldwebel Petsch trommelte mit den Fäusten gegen die Kellertür.
    »Alarm – verdammt noch mal! Jetzt müssen Sie aufmachen! Oder wollen Sie, daß ich hier verrecke, wenn die Eier fallen?«
    »Rennen Sie zum nächsten Keller!« schrie Ursula.
    »Ich kann mich beherrschen! Da – die Flak schießt schon! Da soll ich 'raus und einen Splitter um die Ohren bekommen? Fünf Jahre hab' ich Glück gehabt, und jetzt wollen Sie mich zur Minna machen lassen? Nee, nein Mädchen – aufmachen, wie es die Nächstenliebe befiehlt!«
    Mit zitternden Fingern schob Ursula den Riegel zur Seite. Feldwebel Petsch stieß die Tür auf, schob mit dem Fuß die Kiste zur Seite und trug in zwei Etappen seine Geschenke in den muffigen Kellerraum. Er baute alles auf dem Tisch auf, legte Erich Schwabes Bild mit dem Gesicht nach unten neben die Tannenzweige und setzte sich auf das Luftschutzbett. Seine Mütze warf er auf die Erde.
    »Warum hast du Angst?« fragte er und sah Ursula groß und jungenhaft fragend an. »Glaubst du, ich tu' dir was, wenn du nicht willst?«
    Ursula schwieg. Sie stand mit dem Rücken an die offene Tür gelehnt, als wolle sie jeden Augenblick flüchten können. Von oben hörte man das Bellen der Flak und das helle Brummen leichter Bombenflugzeuge. Sie zogen über die Stadt, ohne etwas abzuwerfen.
    »Ich kannte mal ein Mädel, das war genauso wie du«, sagte Petsch. »Aber nach zwei Stunden kam sie von selbst, und dann war ihr alles egal. Wissen wir, ob wir morgen noch leben?«
    Ursula sah hinüber auf den Tisch. Sie sah die Wurst, die Butter, das Brot, den Wein. Und die Strümpfe.
    »Soll ich Ihnen etwas zurechtmachen?« fragte sie heiser. »Ein Brot mit Wurst, wollen Sie ein Glas Wein? Ich habe nur einen Becher hier – aber er wird auch daraus schmecken …«
    »Mach uns ein schönes Abendessen!« Feldwebel Petsch ergriff eine Flasche Wein und hieb den Hals am Pfosten des Luftschutzbettes ab. »Und laß uns einen trinken. Darauf, daß das nächste Weihnachten anders aussieht! Prost, kleine Frau! Und nun komm her, trink mit mir und laß uns Weihnachten feiern! Und wenn du noch 'n paar Kerzen hast, dann steck sie an. Das macht das alles so schön feierlich. Oben Flak, unten Stille Nacht. Kinder, in was für einer Zeit leben wir!«
    Am ersten Weihnachtsfeiertag, gegen Abend, fuhr Frau Hedwig Schwabe wieder zurück nach Köln. Erich durfte sie bis zum Zug begleiten. Der Famulus Baumann hatte seinen Kopf so verbunden, daß man außer den Augen nichts sah. So war Erich Schwabe kein schreckenerregender Anblick mehr und konnte sich unter die Leute wagen. Er fiel auch auf dem Bahnhof nicht auf und stand so lange winkend auf dem Bahnsteig, bis der Zug in der Abenddämmerung verschwand. Frau Schwabe setzte sich, als sie Erich nicht mehr sah, und legte vorsichtig das Glasmosaik in das Gepäcknetz. Das rührend-naive Geschenk eines verstümmelten Mannes an seine Frau. Das wortlose Flehen um Liebe und Treue.
    Fast zwei Tage brauchte Frau Schwabe, ehe sie durch Umleitungen und Stockungen in Köln eintraf. Am 27. Dezember, gegen Mittag, in einer Pause zwischen zwei Luftangriffen, kam sie unverhofft in den Keller zurück, das Glasmosaik vor sich hertragend wie eine unersetzbare Kostbarkeit.
    »Ursula!« rief sie schon auf der Treppe. »Uschi, ich bin's. Ich bin wieder da!«

7
    Ursula riß die Kellertür auf. Ihre blonden Haare waren unordentlich, sie hielt einen Schrubber in der Hand und war gerade damit beschäftigt gewesen, den Kellerboden zu scheuern.
    »Mutter …«, sagte sie, und in ihrer Stimme war weniger Freude als verborgene Angst. »Du bist schon da …«
    »Ja, da staunst du, was?« Frau Schwabe legte das Paket mit dem Glasmosaik vorsichtig auf ihr Bett und hing dann ihren Mantel in den Spind.
    »Du wolltest doch bis Neujahr bei Erich bleiben?«
    »Das wollte ich. Aber Erich hat mich heimgeschickt. Zu dir. Sein Geschenk sollst du haben. Keine Ruhe hatte er mehr. Und ich hatte, ehrlich gesagt, auch keine Ruhe. Erich geht es soweit gut, ihm fehlt nichts, er wird von allen verwöhnt. Und da habe ich gedacht: die Uschi ist so ganz allein, und die Angriffe … und wer weiß, wie es jetzt in Köln aussieht … Aber vor allem das Geschenk.« Frau Schwabe blinzelte und legte große Spannung in ihre Worte. »In mühsamer Arbeit hat er's selbst gemacht, hat

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