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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihr sagen, sie soll dir jeden Tag einmal den Kopf zurechtsetzen!«
    Lisa war an der Tür des Saales stehengeblieben. Die Bescherung war fast zu Ende. Der Kreisleiter machte ein finsteres Gesicht, weil die Feierstunde nicht so ablief, wie sie geplant war. Alles hatte einen familiären, zivilen Charakter, wo es doch gerade darauf ankam, die innere Verbindung von Front und Heimat darzustellen. Außerdem wurde er von den Ärzten und Verwundeten kaum beachtet. Dr. Urban war nicht anwesend, und das Erscheinen Lisa Mainettis erinnerte ihn wieder an den zersplitterten Kopf mit dem einen Auge. Ihm wurde wieder übel, und er ging zu der Hitlerbüste und setzte sich neben sie auf einen leeren Stuhl, als suche er Schutz im Schatten des Führers.
    Professor Rusch trat auf Lisa Mainetti zu. Sein schmales, hageres Gesicht mit den an den Schläfen weiß werdenden Haaren überragte die meisten Anwesenden. Er sah Lisa mit leicht geneigtem Kopf an, und in seinem Blick lag tiefe Sorge.
    »Du siehst abgespannt aus«, sagte er, leise. »Du solltest dir einen Tag wirklicher Ruhe gönnen. Wollen wir morgen eine Schlittenfahrt in die Berge machen?«
    Lisa lächelte ihn schwach an. Sie wischte sich mit der Hand über das schwarze Haar. Es war eine Geste, die sagen sollte: Schön wär's, aber es geht nicht.
    »Ich habe Angst um Fritz Adam, Walter. Ich möchte ihn nicht allein mit Urban lassen. Laß uns nach dem Weihnachtsfest für ein oder zwei Tage fortfahren.«
    Professor Rusch nickte. Sie standen, durch den Weihnachtsbaum verdeckt, neben der Tür. Das Stimmengewirr umrauschte sie wie ein Wasserfall, und trotz der vielen Menschen spürten sie auf einmal, daß sie in Wahrheit ganz allein waren.
    »Es wird nicht mehr lange dauern«, sagte Rusch ganz leise. »Im Osten und im Westen brechen die Fronten zusammen. Und was wird dann, Lisa? Du hast mich vor einigen Tagen einmal gefragt, was ich mir zu Weihnachten wünsche. Ich will es dir heute sagen. Laß uns heiraten, Lisa.«
    Lisa Mainetti sah auf die Zweige des Baumes und auf die flackernden Kerzen, die fast niedergebrannt waren. Ihr Gesicht war maskenhaft unbeweglich.
    »Wir haben nie darüber gesprochen, Walter.«
    »Deswegen möchte ich es jetzt tun, Lisa.«
    »Als wir uns kennenlernten, näher kennenlernten, war es eine Laune, weiter nichts. Eine Kriegsliebe, wie man so sagt. Sie ersetzt heute die sogenannten Ferienbekanntschaften.« Sie wandte den Kopf zu Professor Rusch um, ihre großen, schwarzen Augen sahen ihn fast wehmütig an. Nichts war mehr an Lisa Mainetti von der energischen Frau, die in den Krankenzimmern kommandierte wie ein Feldwebel und vor der die Sanitäter mehr Angst hatten als vor dem Chefarzt. »Wir sind nicht mehr die Jüngsten, Walter, und wir sind so grundverschieden.«
    »Und was willst du tun, wenn dieser ganze Dreck von Krieg und Nazitum vorbei ist?«
    »Ich werde irgendwo eine Praxis aufmachen.«
    »Und du wirst vom Morgen bis zum Abend auf den Beinen sein, Pillen und Pulver verschreiben, Herzen abhorchen, Lungen untersuchen, Rheumakranke einreiben und Hustensaft verordnen, Geschwüre aufschneiden und Blutergüsse mit Alkohol kühlen …«
    »Dazu haben wir uns berufen gefühlt, Walter. Darum sind wir Arzt geworden. Du wirst eine andere Karriere haben. Dir stehen die Universitäten offen, die großen Kliniken.«
    »Komm mit, Lisa. Als meine Frau. Ich weiß, wir haben uns in den letzten zwei Jahren viel gezankt, ich war oft unausstehlich, und mehr als einmal hast du ausgerufen: Die Frau, die dich einmal heiratet, muß wahnsinnig sein! Bitte sei so wahnsinnig – nimm mich.« Professor Rusch lehnte sich an die Wand. Das Stimmengewirr um ihn herum erreichte ihn nicht mehr, er war in einer Welt, die nur ihm und Lisa gehörte. »Wenn diese Welt, in der wir bisher leben mußten, in Kürze zusammenbricht, werden wir alle nackt und unschuldig dastehen. Auch ich. Wir müssen von vorn anfangen wie die ersten Menschen. Ich werde ganz allein sein und mich immer fragen: Wofür fängst du überhaupt an? Lohnt es sich noch für die paar Jahre? Ist dein Rest Leben so viel wert, daß du es in eine Arbeit steckst, deren Früchte du nicht mehr genießen kannst? Es ist eine Sinnlosigkeit, siehst du das denn nicht, Lisa? Aber mit dir hätte ich den Mut weiterzuleben. Da hätte ich ein Ziel, da hätte alles wieder Sinn und Zweck.«
    »Wenn die Welt sehen könnte, wie klein der große Chirurg ist.« Lisa Mainetti strich Professor Rusch leicht über den Arm. Es war ein scheues, schnelles

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