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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sich die Stückchen einzeln zusammengesucht und gefärbt …«
    Ursulas Kopf sank tief auf die Brust. Sie hielt die Augen geschlossen und preßte unter der Schürze die Hände gegeneinander.
    »Er hat mir etwas geschenkt«, sagte sie leise.
    »Also zunächst: Nachträglich frohe Weihnachten!« Frau Schwabe nahm ihre Schwiegertochter in die Arme, küßte sie, und ihre Freude, Erichs Geschenk zu überbringen, war so groß, daß sie das Zittern in Ursulas Schultern nicht bemerkte. Sie zog sie mit sich zu ihrem Bett und zeigte auf das dick verschnürte Paket. »Na, nun mach es schon auf. Mein Gott, hatte ich eine Sorge, daß ich es heil nach Hause bekomme! Vor Frankfurt hatten wir einen Luftangriff. Alles habe ich im Wagen gelassen, als wir den Zug verlassen mußten, aber das da habe ich mitgenommen … Nun mach es schon auf. Augen wirst du machen, Uschi.«
    Ursula setzte sich auf das Bett. In ihrer Kehle würgte der Aufschrei, mit dem sich die ungeheure Qual in ihrem Innern lösen wollte. Das Gefühl, nicht mehr die Ursula Schwabe zu sein, für die dieses Geschenk gebastelt worden war, machte ihre Finger bleiern schwer. Sie bekamen den Knoten der Kordel nicht auf, es war nicht einmal Kraft genug in diesen Fingern, um die Schlingen herauszuziehen.
    »Da hat er wieder einen Knoten gemacht, der Junge!« sagte Frau Schwabe. Sie holte eine Schere, zerschnitt die Kordel und zog sie weg.
    Wenn man alles so zerschneiden könnte wie diese Schnur, dachte Ursula. Wie einfach das ist, ein Schnitt, und vor dir liegt etwas Neues, greifbar, man kann es auspacken und Besitz von ihm nehmen … Oh, wenn das Leben auch so wäre!
    »Na?« fragte Frau Schwabe und rieb sich die Hände. »Na, was ist es denn?«
    »Du hast es selbst noch nicht gesehen, Mutter?«
    »Aber nein! Erich hat es mir so verpackt gegeben. Es ist sehr zerbrechlich, hat er gesagt. Und erklärt hat er mir, was es ist. Aber gesehen – nein! Es ist doch dein Geschenk.« Frau Schwabe sah auf Ursulas zuckenden Rücken. Sie deutete es anders, die Tränen stiegen ihr in die Augen, sie legte die Hände auf das blonde Haar der jungen Frau und streichelte es. »Mach es auf«, sagte sie stockend. »Alles wird bald anders sein. Sie wollen ihn gleich nach Neujahr operieren. So schnell hintereinander, wie es nur geht. Ich habe mit der Ärztin gesprochen und mit dem Chefarzt. Nachdem sie Erichs Bild gesehen und sein richtiges Gesicht genau betrachtet hatten, waren sie sehr zuversichtlich. Ich weiß, wie schwer es ist, mein Kleines, und ich weiß auch, wie sehr du Erich liebst …«
    Ursulas Kopf fiel nach vorn. Sie drückte das Gesicht neben dem halb geöffneten Paket in die Decken und schrie ihre Qual hinaus. Durch die Decken erstickt, klang es wie ein heiseres Röcheln. Wie gemein, wie gemein, schrie es in ihr. Ich bin doch nichts als eine Hure … nur eine Hure bin ich, Mutter! Aber ich war so allein. Und immer habe ich die zerstörten Gesichter gesehen. Überall waren sie, aus allen Ecken des Kellers kamen sie auf mich zu, riesengroß hingen sie über mir … Und dann war er da … Und er sah aus wie alle anderen Menschen, er hatte ein Gesicht, ein lachendes, fröhliches Gesicht, warme Lippen und leuchtende Augen. Es war so herrlich, und die anderen, die schrecklichen Gesichter verschwanden, und ich hatte plötzlich keine Angst mehr. Warum hast du mich allein gelassen, Mutter, warum hast du mich nicht mitgenommen nach Bernegg. Ich kann doch nichts dafür … und nun bin ich eine Hure …
    »Ich mach' es für dich auf, Uschi«, sagte Frau Schwabe, und auch sie weinte. »Erich würde jetzt nichts dagegen haben.«
    Sie wickelte das Glasmosaik aus, trug es zum Nachttisch, stellte es neben Erichs Fotografie und zündete die Kerze an, die daneben stand. Mit einem Seitenblick sah sie, daß auf Ursulas Kopfkissen gewaschene, neue seidene Strümpfe lagen. Nur ganz kurz zuckte ihr der Gedanke durch den Kopf: Woher hat sie die denn? Wo gibt es denn noch seidene Strümpfe? Dann war der Gedanke aber schon wieder überdeckt von dem Erleben, das zuckende Licht der Kerze über die bunten Gläser des Mosaiks huschen zusehen, so, als komme Leben in die beiden der Sonne entgegengehenden, sich an den Händen haltenden Menschen.
    »Sieh es dir an, Uschi«, sagte sie leise.
    Ursula hob den Kopf. Ihr Gesicht war wie zerflossen und weiß wie ein gebleichtes Tuch. Sie starrte auf das bunte Glasmosaik, auf die beiden Menschen, die der Sonne zugingen, und auf die Worte, die Erich Schwabe kunstvoll aus

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