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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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glücklichen, so weit zurückliegenden Tagen, ein paar Bücher …
    Adam blieb stehen. Niemand beachtete ihn und sein zerstörtes Gesicht. Wer die Nachbarn wie brennende Fackeln über die Straße rennen gesehen und die auf Kindsgröße verkohlten Leichen am Bordstein gestapelt hatte, hatte den Blick für die Grauen des Krieges verloren. Für diese in den Trümmern wühlenden Menschen sah Adam fast normal aus. Er lebte, und das war das wichtigste.
    Und dann sah er sie.
    Sie bog um die Ecke, zwei Straßen weiter, trug einen grauen Persianermantel und eine runde Pelzkappe, hatte den Arm in den des Mannes eingehängt und trippelte in Stiefeln mit hohen Absätzen an seiner Seite, plappernd, verliebt, sich an ihn drückend, ungeniert, ein schnurrendes, süßes Kätzchen.
    Fritz Adam sprang einen Schritt zurück in den Eingang eines ausgebrannten Hauses. Die beiden blieben stehen, sie sprach auf ihn ein, lachend und sich in den Hüften wiegend, sie hob sich auf die Zehenspitzen und gab dem Mann einen Kuß auf die Wange. Er sah sich verlegen um und schien zu sagen, daß sich das nicht gehöre. Einen Offizier auf der Straße küssen – liebes Kind, das knackst die Achtung an, wenn Untergebene das sehen!
    Fritz Adam wartete, bis sie weitergingen und kurz vor dem Hauseingang waren, in dem er stand. Dann trat er mit einem großen Schritt vor und versperrte ihnen die Straße.
    »Guten Tag, Herr Oberarzt!« sagte er völlig ruhig und hob dazu die Hand zum Deutschen Gruß. »Guten Tag, du Hure!«
    Dr. Urban senkte den Kopf, er wurde blaß. Mit einem leisen Quietschlaut, wie eine gejagte Maus, war Irene Adam zwei Schritte zurückgeprallt und lehnte nun mit schreckensweiten Augen an der rußigen Hauswand.
    »Adam!« sagte Dr. Urban heiser. »Machen Sie hier keinen Skandal, verstanden? Im übrigen heißt der Gruß Heil Hitler!«
    »Heil Hitler, du Hure!« rief Adam.
    Urbans Gesicht überzog sich mit einer hellen Röte. Es war eine fatale Situation, das erkannte er völlig illusionslos. Es war möglich, daß Adam auf ihn einschlug. Er würde dann zwar bestraft werden, aber auch Dr. Urban würde sofort versetzt werden, an die Front, die ohnehin nicht mehr weit war. Ein Offizier, der dem verwundeten Kameraden die Frau wegnimmt und sich auf offener Straße mit ihm herumschlägt, ist für die Armee untragbar.
    »Ich warne Sie, Adam«, sagte Dr. Urban mit gefährlich leiser Stimme. »Es kommt nichts dabei heraus, wenn Sie hier Rummel machen. Seien Sie vernünftig!«
    »Ich wollte Ihnen nur gratulieren, Herr Oberarzt.« Fritz Adam blickte aus den Augenwinkeln zu Irene, die bleich vor Angst an die rußige Hauswand gedrückt stand. Sein im heißen Öl eines brennenden Panzers verschmurgeltes Gesicht zuckte wild. »Wenn Sie so idiotisch sein sollten, dieses Miststück zu heiraten …«
    »Er ist verrückt, Fred!« schrie Irene Adam. »Er ist verrückt! Hilfe! Hilfe!«
    Dr. Urban sprang zurück und legte ihr die Hand auf den Mund. »Dusseliges Frauenzimmer! Soll denn alles zusammenlaufen?« Er drehte den Kopf zu Adam. »Ich werde mit dem Kameraden Adam alles in Ruhe regeln, von Mann zu Mann. Männer können immer zusammen sprechen, nicht wahr, Adam?«
    Es war regelrechter Ekel, vermischt mit grenzenloser Verachtung, was in Fritz Adam aufstieg. Welch ein erbärmliches Schauspiel, dachte er. Wie widerlich war das alles. Man sollte kotzen vor Ekel.
    »Verschieben wir es bis auf heute abend, nicht wahr? Wir fahren zusammen hinunter nach Bernegg, und ich lade Sie zu einer Flasche Wein ein.« Dr. Urban versuchte ein freundliches Lächeln. »Und nun geben Sie den Weg frei, Adam, machen Sie keine Schwierigkeiten. Sehen Sie sich Irene an – sie ist so höflich, Ihnen nichts wegen Ihrer Beziehung zu der kleinen Dora Graff vorzuhalten.«
    Das war der Augenblick, in dem in Fritz Adam die Mauer der Duldsamkeit zusammenstürzte. Es war keine Explosion, kein wilder verzweifelter Ausbruch. Ganz ruhig und fast langsam geschah es. Er trat auf Dr. Urban zu, sah ihn stumm an und schlug dann mit der flachen Hand mitten in das lange, erwartungsvolle Gesicht. Die Offiziersmütze flog in einem Bogen vom Kopf und rollte in die rußigen Trümmer des ausgebrannten Hauses. Irene quietschte wieder auf, aber sie rief nicht mehr um Hilfe, auf dem Gesicht Urbans begannen sich schnell, mit einer leichten Schwellung, die fünf Finger Adams abzuzeichnen.
    »Heil Hitler, Herr Oberarzt!« sagte Adam ruhig. »Es steht Ihnen frei, etwas gegen mich zu unternehmen!«
    Fritz Adam

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