Das geschenkte Leben
Dinger sind geräumig und haben eine große Deckfläche. Und es ist fast unmöglich, sie zum Kentern zu bringen. Sicherer als die meisten kleinen Schiffe. Ich würden ihnen bloß keinen Schönheitspreis verleihen.«
»Jake, meinst du, du könntest uns eine Einladung an Bord dieses Trimarans verschaffen? Er sieht interessant aus.«
»Oh, vielleicht läßt es sich machen. Ich könnte mit dem Hotelmanager darüber sprechen. Wenn er die Leute nicht kennt, wird er sicherlich feststellen können, wer sie sind. Aber Joan, du kannst nicht mit verschleiertem Gesicht an Bord einer Privatjacht gehen; es würde unhöflich sein.«
»Jakob, ein Schleier kommt nicht in Betracht, weil ich nicht als Mrs. MacKenzie gehen würde. Ich bin Mrs. Salomon und stolz darauf, und unter diesem Namen will ich auch vorgestellt werden. Jake, ich glaube, unsere Hochzeit ist inzwischen keine interessante Neuigkeit mehr; es kann nicht viel ausmachen, wenn ich entdeckt werde.«
»Du hast recht. Ein paar Reporter mit Hubschraubern könnten uns für eine Weile belästigen und Aufnahmen mit Teleobjektiven machen. Aber nicht mal deine Enkelinnen werden begierig sein, ein Attentat auf dich zu verüben. Wenn die Schnüffler dich stören, kannst du zum Sonnenbaden und im Wasser einfach einen Badeanzug anziehen.«
»Kommt nicht in Frage, es ist unser Schwimmbecken, Jacob. Und ein Badeanzug kann auch nicht verbergen, daß ich schwanger bin. Je eher diese Neuigkeit in die Klatschspalten kommt, desto weniger wird sie die Leute später interessieren. Laß sie ein paar Aufnahmen machen, laß Roberto bestätigen, daß es so ist, und ein paar Tage später wird kein Hahn mehr danach krähen. Mit Publizität muß man sich abfinden. Ist es möglich, auf einem Boot dieser Art ein Schwimmbecken zu haben?«
»Nicht auf einem Boot dieser Größe. Aber ich habe viel größere Trimarane als diesen gesehen. Es läßt sich wahrscheinlich machen, weil ein Trimaran für seine Tonnage eine große Deckfläche hat. Man müßte einen Schiffbauer fragen. Warum das Interesse, Joan? Willst du, daß ich dir eine Jacht kaufe?«
»Ich weiß nicht. Aber Boote scheinen Spaß zu machen, Jake. Ich hatte nie viel Spaß in meinem Leben – in meinem anderen Leben, meine ich. Ich weiß nicht genau, wie man es anfängt, Spaß zu haben – außer, daß jetzt jeder Tag eine Freude für mich ist. Ich weiß nur, daß ich diesmal etwas ganz anderes machen möchte. Und damit meine ich nicht den verrückten Wirbel des sogenannten gesellschaftlichen Lebens. Würdest du eine Jacht mögen, Jake? Mit mir um die Welt fahren und mir alle diese Orte zeigen, die zu sehen ich nie Zeit hatte?«
»Du meinst, du hast dir die Zeit nicht genommen.«
»Vielleicht läuft es auf das gleiche hinaus. Wenn ein Mann zuviel Geld hat, dann besitzt es ihn, nicht umgekehrt. Jake, ich bin in Europa großgeworden, in einem anderen Zeitalter, und später bin ich vielleicht zwanzigmal dort gewesen – aber ich war nie im Louvre, habe nie die Wachablösung vor dem Buckingham-Palast gesehen. Ich habe nur Hotels und Konferenzzimmer gesehen, und die sind auf der ganzen Erde gleich. Würdest du etwas für meine Bildung tun, Liebster? Mir Rio zeigen? Den Parthenon bei Mondlicht? Das Tadsch Mahal bei Sonnenaufgang?«
Jake sagte nachdenklich: »Der Trimaran ist das bevorzugte Fahrzeug der Dropouts.«
»Entschuldige, etwas ist mir entgangen. Sagtest du ›Dropout‹?«
»Ich meine nicht die barfüßigen Herumtreiber in den Städten, oder diejenigen, die in verlassenen Farmen oder alten Schuppen auf dem Land hausen und ihr Gemüse anbauen, fern der Zivilisation. Ein Dropout auf dem Wasser muß Geld haben, und seine Gründe sind andere. Die Dropouts auf dem Land sind arme Teufel, die das einfache, freie Leben suchen und nichts von den Anforderungen der Leistungsgesellschaft wissen wollen. Der Dropout auf dem Wasser ist ein anderer Typ. Da er Geld hat, braucht ihn der Leistungsdruck, unter dem der kleine Mann am Fließband oder im Büro ächzt, nicht kümmern. Er fürchtet die Unsicherheit in den Großstädten, oder das Finanzamt, oder beides. Er ist eine häufige Erscheinung geworden. Niemand weiß, wie viele von diesen Leuten es gibt, aber einige Hunderttausend sind es sicherlich. Nimm diese Jachten unter uns – nicht die kleinen Sportboote, die anderen: ich wette, daß wenigstens vier von zehn unter einer billigen Flagge fahren und ihre Besitzer Pässe haben, die genauso exotisch sind wie die von ›Mr. und Mrs. MacKenzie‹.
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