Das geschenkte Leben
verrenkten Gliedern?«
»Oh nein, Sir. Es ist sehr entspannend.«
»Na schön, ausprobieren kann ich es ja mal.«
»Du wirst dich aber ausziehen müssen«, meinte Joan.
»Ich wußte doch, daß ein Haken dabei ist.«
»Ach, Jake. Wenn du dich genierst, kannst du ja Shorts tragen. Wir ziehen uns immer dabei aus, dann ist der spirituelle Effekt größer. Geh und zieh dich um, wir treffen uns dann in der grünen Suite. Direkt danach ißt du noch einen Happen, nimmst ein heißes Bad und legst dich ins Bett.«
»Also schön. Aber ich hoffe, daß Winnie mich beschützt, wenn du mich schlagen willst.«
Sobald Jake gegangen war, meinte Joan: »Komm, ziehen wir rasch unsere Sachen aus.« Sie unterbrach sich. »Oder hast du etwas anderes vor? Eine Verabredung?«
Winnie errötete. »Erst später.«
»Muß Paul lange arbeiten?«
Winnie errötete noch tiefer. »Paul und ich haben uns getrennt.«
»Oh, das tut mir leid.«
»Mir nicht. Ich glaube nicht, daß Paul sich jemals wirklich scheiden lassen wollte. Er hat mich immer nur hingehalten. Nun, Bob ist nicht verheiratet. Noch nicht.«
»›Noch nicht‹. Hast du vor zu heiraten, Liebes?«
»Nun … ich glaube nicht, daß man so etwas planen kann. Das geschieht einfach. So wie ein Gewitter.«
»Da könntest du recht haben.«
Kurz darauf eilten die beiden Mädchen barfuß und in Negliges durch den Korridor zum grünen Zimmer. Der Anwalt wartete bereits auf sie. Er hatte sich in einen Bademantel gehüllt.
»Ich hoffe, wir haben dich nicht warten lassen«, sagte Joan.
»Ich habe die Zeit genutzt, um kurz zu duschen und etwas zu essen.«
»Gut. Dann können wir ja gleich anfangen. Wir setzen uns in einem Dreieck zusammen. Und um dich zu beruhigen, wir machen hier lediglich die einfachste Form des Joga, keine Übungen, sondern Meditation. Vor allem geht es dabei um kontrollierte Atmung. Während des Gebetes mußt du einatmen, danach wieder ausatmen. Jake, beherrscht du den Lotussitz? Wahrscheinlich nicht, wenn du es noch nie gemacht hast.«
»Eunice …«
»Ja, Jake?«
»Mein Vater war Schneider. Ich habe schon im Schneidersitz gesessen, bevor ich acht war. Wird das ausreichen?«
»Sicher, wenn es bequem für dich ist.«
»In der Stellung könnte ich sogar schlafen. Aber was ist mit diesem Gebet?«
Eunice schlüpfte aus ihrem Nachthemd und nahm die Meditationshaltung ein. »Es geht so: Om mani padme hum.« (Om mani padme hum. Ich hätte Jake das schon früher beibringen sollen.)
»Das habe ich schon mal gehört. Aber was bedeutet es?«
Winnie war Eunices Beispiel gefolgt und saß jetzt ebenfalls in Lotusstellung. »Es bedeutet alles und nichts, Mr. Salomon. Alles, was Ihnen gut und richtig erscheint. Aber sie sollten nicht darüber nachdenken. Sie sollten nicht einmal versuchen, nichts zu denken. Seien Sie einfach, bis Sie merken, wie Sie schweben, wie Sie rundherum warm und entspannt sind.«
»Na gut, ich werde es versuchen.« Er zog seinen Bademantel aus. »Joan Eunice, wann hast du eigentlich Joga gelernt? Hat Winnie es dir beigebracht?«
»Oh nein!« sagte Winnie. »Miss Joan hat es mich gelehrt. Sie ist darin viel weiter fortgeschritten als ich.«
(Aufpassen, Boß!) (Mach dir nur nicht ins Hemd.) »Man lernt viele Dinge, Jake, und verliert sie dann aus Zeitmangel wieder aus den Augen. Ich habe auch einmal Schach gespielt, aber seit fünfzig Jahren kein Brett mehr angerührt. Und den Lotussitz hätte ich in meinem alten Körper schon längst nicht mehr einnehmen können.«
Bevor Salomon sich ebenfalls hinsetzte, zog er seine Shorts aus, wie Joan erfreut registrierte. Winnie betrachtete angelegentlich ihren Nabel und tat so, als hätte sie nichts bemerkt.
»Einatmen«, sagte Winnie mit leiser Stimme. »Om mani padme hum. Halten. Om mani padme hum. Ausatmen. Om mani padme hum. Halten … … … …«
»Om mani padme hum!« sagte Salomon mit einer Stimme, die eine Kathedrale erfüllt hätte. »Om mani padme hum!«
»Winnie, Liebste«, sagte Joan sanft. »Komm zurück und wach auf. Wir müssen Jake aufwecken.«
Die Augenlider des Rotschopfes flatterten, sie flüsterte noch ein Gebet und wartete dann. »Jake, Liebster«, sagte Joan sanft, »Eunice ruft dich. Wach weit genug auf, daß wir dich ins Bett bringen können. Eunice ruft dich zurück. Liebster Jake.«
»Ich höre dich, Eunice.«
»Wie fühlst du dich?«
»Entspannt. Wundervoll. Gut erholt und bereit zu schlafen. Es funktioniert tatsächlich. Aber es ist nichts anderes als
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