Das geschwaerzte Medaillon
Das Gurgeln in unseren Rücken stieg immer weiter an, aber diese Erdwesen waren näher. Sie waren gerade die unmittelbare Gefahr. Aber sie wirkten nicht, als würden sie uns in nächster Zeit angreifen. Sie waren hier, um uns den Fluchtweg zu versperren. Ich spürte Keiras bohrenden Blick in meinem Rücken und versuchte den Impuls zu unterdrücken mich zu ihr umzudrehen. Es würde nur eine Sekunde brauchen, in der ich meine sichere Haltung aufgab und Keira würde sich auf die Wesen stürzen. Ich konnte die Energie, die von ihren gespannten Muskeln ausging, förmlich spüren. Es war ein lächerlicher Scherz, dass ich jetzt gerade so selbstsicher wirkte. Nur war es nicht Selbstsicherheit, die sich daran aufbaute, dass wir siegen würden. Es war Sicherheit, dass wir verloren hatten.
»Der Meister erwartet euch«, gurgelte es aus der Kehle, des größten Wesens, das direkt vor mir stand. Ich konnte nicht einmal mehr einen Mund bei ihm ausmachen und wunderte mich, wie er die Worte hatte aussprechen können. Es dauerte einen Moment, bis seine Worte wirklich in mein Gehirn sickerten. Sie sollten uns nicht umbringen. Natürlich nicht. Hatten sie nicht schon im Motel versucht, MICH gefangen zu nehmen? Ein kleiner Funken Hoffnung flammte in mir auf, vielleicht, wirklich nur vielleicht, bestand die winzige Möglichkeit Keiras Leben zu retten. Unwillkürlich richtete ich mich auf. Meine Stimme klang so fest, dass ich mich selbst wunderte, wie ich das zustande bekam. Sie verriet nicht im Geringsten, wie die Gefühle nun plötzlich in mir tobten, als wären sie aus ihrem ewigen Winterschlaf aufgeschreckt. Es war, als würden sämtliche Emotionen, die ich in der letzten Zeit verdrängt hatte, nun auf einmal auf mich einbrechen. Nur mit Mühe konnte ich die Gedanken herausfinden, die ich jetzt brauchte. »Rette Keira. Schütz den Seelentropfen.« Diese zwei Gedanken ermöglichten es mir zu sprechen. Für einen kurzen Moment hatte ich ein Ziel, das ich erreichen konnte. Ich atmete einmal tief ein und spürte gleichzeitig, wie Keira hinter mir erstarrte, als hätte sie plötzlich die Absicht in meinem Verhalten erkannt. Ich wusste, dass sie gerade dazu ansetzte etwas zu sagen, aber ich schüttelte nur den Kopf, ohne sie anzusehen oder mich nach ihr umzudrehen.
»Euer Meister, er will mich. Nur mich, ist doch so?«
Ich starrte nur auf das Erdwesen und blendete alles andere um mich herum aus. Wenn ich zu sehr auf Keira achtete, würde ich es vielleicht nicht schaffen. Ich ging unverwandt einen Schritt auf die klumpige Erdgestalt zu. Es war unbegreiflich, wie in so etwas noch ein Herz schlagen sollte. Ein Herz, das einmal genauso menschlich war wie das, das in meiner Brust schlug. Das Wesen zeigte keine Regung. Es wirkte fast wirklich so, als hätte der Stalagmit vor mir einfach aus dem Nichts ein Paar Augen bekommen. Es war schwer erkennbar, wo die Beine und Arme des Wesens waren. Oder überhaupt etwas auszumachen, was verraten hätte, dass es einst mal ein Mensch gewesen war. Es sah aus, als würde es auf eine Stimme lauschen, die außer ihm niemand hören konnte. Erst als er wieder mit seiner grollenden Stimme anfing zu sprechen, sah ich den dünnen Riss, der wohl sein Mund war.
»Der Meister will dich.«
»Dann lasst meine Freundin gehen und ich komme mit euch zu eurem Meister.«
Ein Keuchen ertönte in meinem Rücken. Keira konnte nicht fassen, dass ich das gerade wirklich vorhatte. Ein malmendes Knirschen erklang, als das Wesen seinen Kopf bewegte und ihn langsam von einer Seite zur anderen drehte.
»Der Meister lässt ein so seltenes Exemplar wie deine Freundin nicht einfach entkommen. Ihr werdet beide mit uns gehen.«
Seltenes Exemplar? Klar, ich sah Keira als einen äußerst ungewöhnlichen Menschen, aber warum hatte der Meister Interesse an ihr. Er wollte das Amulett und ich war dessen Hüterin, also wollte er auch mich. Nur was erwartete er sich von ihr? Mir zog sich der Magen zusammen, als ich einsehen musste, dass weder Keira noch ich aus diesem Tunnel herauskommen würden. Und wenn doch, als eklige versteinerte Hülle unseres Selbst, die dem Willen eines Verrückten gehorchen würde. Ich wusste, dass Keira kämpfen wollte. Aber war es nicht genau das, was wir eigentlich wollten? In die Nähe des Meisters, um das Medaillon an uns zu bringen. Nur war es nicht so gelaufen, wie wir es uns vielleicht erhofft hatten. Wir waren ja auch mehr als naiv gewesen zu glauben, wir würden das alles unbemerkt hinbekommen. Die Wesen
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