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Das geschwaerzte Medaillon

Das geschwaerzte Medaillon

Titel: Das geschwaerzte Medaillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Jane Arnold
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»Janlan.«
    Nun klang es ihrerseits etwas bedrohlich. Es war, wie mein Knurren, eine Warnung. »Janlan, komm runter! Ich finde, jetzt reicht es. Du hast deinen Punkt klar gemacht.«
    Ich knurrte. Allmählich kam mir die Bedeutung der einzelnen Worte abhanden. Es war, als würde man ganz langsam in Narkose versetzt. Die Gedanken und das Bewusstsein schliefen einfach ein. Der Teil in mir, der noch klar denken konnte, brüllte mich an, endlich die Kontrolle zurückzuerlangen. Zu verstehen, wer da vor mir stand und wen ich gleich anspringen würde wie eine ausgehungerte Raubkatze. Meine Sinne waren inzwischen so übernatürlich geschärft, dass ich glaubte, das schnellere Schlagen Keiras Herzens zu hören.
    Gerade als ein erneutes Knurren aus meiner Kehle rollte und ich einen Schritt auf sie zu machen wollte, zuckte mein Kopf herum. Hinter mir war ein Echo erklungen, das nicht von meinem Knurren stammte. Es war viel tiefer und grollender als das, was ich zustande brachte. Ein flammendes Rot erschien in dem ansonsten dunklen Tunnel. Es war ein Meer an pulsierendem Blut, das durch unzählige Adern floss und immer weiter in meine Richtung stürmte. Es waren so viele, dass ich die Zahl nicht einmal schätzen konnte. Es war nur noch eine Welle von warmem Blut, das unaufhaltsam durch den Tunnel auf uns zu stürzte. Es war, als würde ein Schalter umgelegt. Mein Kopf schnappte wieder zu Keira zurück und ich sah sie. Ich erkannte sie als meine beste Freundin Keira und nicht als eine laufende Blutbank. Keiras Augen weiteten sich vor Überraschung, als sie plötzlich wieder in meine eisblauen Augen sah. Ich ignorierte es und packte sie einfach am Arm und wirbelte mit ihr herum.
    »Renn!«
    Der Ton in meiner Stimme reichte aus, um ihr unsere Lage verständlich zu machen.
    »Wie viele?«, keuchte sie, während wir durch die Tunnel preschten, zurück von wo wir gekommen waren.
    »Zu viele. Viel zu viele. Selbst für dich und die Blutsicht.«
    Meine Lungen brannten vor Anstrengung und meine Muskeln drohten mir den Dienst zu versagen. Keira rannte dicht an meiner Seite, eine Hand immer am Schwertgriff, und sah alle paar Meter über ihre Schulter. Würde ich das tun, wäre ich schneller in eine Wand gerannt, als ich hätte reagieren können. Auch wenn sie nicht zu sehen waren, waren das Gurgeln und das Klackern ihrer Krallen auf dem Boden und an den Wänden viel zu deutlich zu hören. Sie holten auf. Wie, wusste ich nicht, aber sie taten es.
    »Scheiße!«, hörte ich Keira wütend fluchen, als ich auch schon ihren Arm im Magen spürte und sie mich damit schmerzhaft zum Anhalten brachte. Ich wollte sie gerade anfahren, als mein Blick auf das traf, was Keira vor mir erspäht hatte. Vor uns, in der Richtung, in die wir flohen, standen sie. Wie Stalagmiten wuchsen sie aus dem Boden und verhinderten jedes Durchkommen. Verkrüppelte Körper, von deren Haut Gestein bröckelte, füllten jeden Zentimeter des Tunnels vor uns aus. Sie regten sich nicht. Sie wirkten wahrlich versteinert, aber das waren sie ganz sicher nicht. Sie warteten auf uns. Sie hatten uns in einen Hinterhalt getrieben, wie das blinde Vieh, das kopflos die Flucht antrat und nicht sah, wohin es rannte. Wir saßen in der Falle. Es gab keinen Ausweg. Keinen Raum zum Kämpfen und keine Chance zu überleben. Wir waren blindlings in unseren Tod gerannt. Wie hatte ich das zulassen können. Ich hätte Keira nie in das alles hineinziehen dürfen. Jetzt würde sie erneut sterben, an meiner Seite, weit unter der Erde, in einem stickigen, dreckigen, von widerlichen Wesen übersäten Tunnel. »Grandios gemacht, Janlan«, fauchte ich mich selbst in Gedanken an.
    »Es tut mir leid«, flüsterte ich zu Keira und sah in ihre gutmütigen braun-grünen Augen, die selbst jetzt ein Bild der Ruhe waren. Sie hatte noch nicht aufgegeben. Sie würde kämpfen. Sie würde für mich kämpfen. Das konnte ich ganz klar in ihren Augen ablesen. Ich schüttelte traurig den Kopf.
    »Nein, Keira. Nicht dieses Mal.«
    Es war nicht überraschend, dass sie ihren Griff um das Heft ihrer Schwerter nicht lockerte. Stattdessen zog sie es vor, mich unverwandt wütend anzufunkeln. Ich verlangte gerade von ihr, entgegen ihrer ganzen Natur zu handeln. Ich legte eine Hand auf eine von ihren, die so verkrampf waren, dass ihre Knöchel mehr als deutlich hervortraten. Als sie nicht reagierte, schob ich mich vorsichtig vor sie und stand nun zwischen ihr und den lebenden Stalagmiten, die sich immer noch nicht bewegt hatten.

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