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Das geschwaerzte Medaillon

Das geschwaerzte Medaillon

Titel: Das geschwaerzte Medaillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Jane Arnold
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wenig Kontrolle zu haben, wenn ich in der Blutsicht war und die Schmerzen musste immerhin ich ertragen und nicht sie. Trotzdem reichte ich ihr wortlos die Bluse, obwohl mir bereits eine Erwiderung auf der Zunge lag. Surrendes Reißen ertönte, als Keira mit wenig Mühe den Rest meiner Bluse in kleine Streifen zerlegte. So ganz ohne Oberteil und nur im BH war es im Tunnel ziemlich kalt. Ich musste mich sehr zusammenreißen, um ein ungewolltes Zittern zu verhindern. Das würde Keira jetzt auch noch gefallen. Dann müsste ich nicht auf den nächsten Angriff der Erdwesen warten, um in Stücke gerissen zu werden. Ich überlegte, ob ich mir einfach schon ein neues Oberteil anziehen sollte. Entschied mich aber dagegen, da Keira sicherlich auch die Wunden auf meinem Bauch und Rücken begutachten wollte und drei Mal rein und raus aus einem Pulli wollte ich mir nicht antun, dafür spürte ich nun das Brennen meines eigenen Fleischs viel zu sehr. Es schien, als wäre jeder Zentimeter meiner Haut gerötet und dick und an unzähligen Stellen mit Blut verkrustet. Ein Bad wäre jetzt sicher eine gute und vor allem entspannende Idee gewesen. Zu blöd, dass ich meterweit unter der Oberfläche war und sicher Stunden entfernt von der nächsten Badewanne. Alles, was ich hier machen konnte, war mir noch ein wenig mehr Dreck in die offenen Schnitte zu reiben. Sehr förderlich für Narbenbildung. Also genau das, was ich eigentlich verhindern wollte. Ich wurde mir wirklich selbst zum Feind, wenn ich in der Blutsicht verschwand.
    »Wir können die nicht alle sauber machen«, sagte Keira im trockenen Tonfall. Ich wusste, dass sie keine Antwort von mir erwartete und blieb deshalb auch stumm. Ich würde es tunlichst vermeiden sie noch wütender zu machen. Das Letzte, was wir gebrauchen konnten, war, dass Keira in einen ihrer Temperamentausbrüche verfiel und alle Wesen im Umkreis auf den Plan rief. Schützerin oder nicht, sie war immer noch Keira.
    »Pflaster sind im Übrigen auch nur noch vier da. Ich frage mich echt, warum du überhaupt noch lebst.«
    Vielleicht war das der Punkt. Genau die Frage, die man mir jetzt stellen sollte. Lebte ich noch? Oder war ich fast wie die Körper der Menschen, denen der Zirkel der Seelensammler die Seelen entrissen hatten. Ein bloße Hülle, die lebte, ohne zu erfahren, ohne zu erleben, ohne zu fühlen. Ich konnte vielleicht noch denken, aber selbst das war dabei immer weniger zu werden. Der Zirkel war zerstört und dennoch schien ich allmählich einen Teil von mir zu verlieren. Ich wusste nur zu gut, woher das Gefühl der Leere kam und wie schnell es sich als Schleier über alles andere legte. Tot war im Moment wohl wirklich der passendere Begriff um mich zu beschreiben.
    »Janlan!«, fauchte Keira mich an und ich zuckte erschrocken zusammen. Ich war wieder in meine Gedanken abgedriftet und hatte nicht ein Wort von dem gehört, was sie gesagt hatte.
    »Kannst du wenigstens so tun, als würdest du mir zuhören! Ich kann es auch lassen, dich immer wieder zusammenzuflicken, wenn du dich lieber in Stücke reißen lassen willst. Tu dir keinen Zwang an. Ich bin sicher, hier irgendwo findest du noch einen spitzen Stein, den du dir noch nicht in die Haut gebohrt hast.«
    »Hör auf!«, fauchte ich sie plötzlich an. Mit einem Mal war ich nicht weniger wütend als sie. Ich brauchte keinen Spiegel, um zu wissen, welche Farbe meine Iris angenommen hatte. Rot. Sie war Blutrot, sowie alles, was ich jetzt sah. Keira tat einen Schritt zurück. Sie hatte die Bestie in mir geweckt und jetzt wusste sie nicht, wie sie damit umgehen sollte. Ich sah wirkliche, echte Furcht in Keiras Augen aufflackern. Wie ihr das Blut in die Wangen schoss und ihre Augen hektisch umherwanderten. Ihre Gestalt wurde immer verschwommener und meine Gedanken immer leiser. Das letzte bisschen Kontrolle, das ich noch besaß, versuchte ich darauf zu verwenden, die Wut zurückzudrängen, bevor ich noch etwas sehr Böses und Dummes tun würde. Etwas, das ich mir dieses Mal wirklich nicht würde verzeihen können.
    »Janlan, es ist alles in Ordnung. Beruhige dich«, versuchte Keira verunsichert zu mir durchzudringen. Ich versuchte mich zu beruhigen, aber ihr Blut wurde immer schärfer in seinen Bahnen und das Pulsieren spornte den primitiven, nach Blut verlangenden Teil von mir an. Ein Knurren entrang sich meiner Kehle und dröhnte von den Tunnelwänden wieder.
    »Entschuldige, Janlan, das war unfair von mir«, sagte die mir bekannte Gestalt.

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