Das Gesetz der Balance - chinesisches Gesundheitswissen für ein langes Leben
und kann sie frei fließen und alles durchströmen, so bedeutet das Harmonie und Gesundheit.
Was aber auf den gesamten Kosmos zutrifft, gilt chinesischer Anschauung nach stets auch für den Menschen und damit auch für die TCM.
Yin und Yang – ein Wechselspiel
WENN SIE BISHER GEDACHT haben sollten, Yang = männlich und Yin = weiblich, und wenn Sie daraus irgendwelche geschlechtsspezifischen Schlüsse gezogen haben sollten, dann vergessen Sie dies bitte möglichst schnell.
Denn mit den Begriffen Yin und Yang beschreibt man nicht irgendwelche Verhaltensmuster. Vielmehr hat man den Prozessen des Lebens, wie Sie oben ja bereits gelesen haben, zwei sich gegenseitig bedingende und ergänzende Kräfte zugeteilt und diese Yin und Yang genannt.
Wenn wir die Richtungen betrachten, in die unterschiedliche Prozesse verlaufen können, dann werden die nach außen strebenden Bewegungen als Yang klassifiziert und die nach innen gerichteten Bewegungen als Yin. Yang geht demnach von einem Organismus weg auf jemanden oder etwas zu. Wenn Sie also etwas berühren oder wenn Sie ein Ziel anvisieren, dann ist das Yang. Im Grunde entsprechen alle Ihre Fähigkeiten, etwas nach außen zu transportieren, dem Yang, ungeachtet dessen, ob sie körperlicher, geistiger oder seelischer Natur sind. Hören Sie dagegen Musik, dann nehmen Sie etwas auf, das von außen zu Ihnen nach innen kommt. Vorgänge wie dieser sind mit dem Yin verknüpft.
AKTIVITÄT UND STRUKTIVITÄT
»Es gibt kein Ereignis auf der Welt, dem die Chinesen nicht einen Yin-Aspekt und einen Yang-Aspekt abgewinnen können«, schrieb mein Lehrer Manfred Porkert in seinem Buch Die chinesische Medizin. Er war es auch, der sich bemüht hat, für Yin und Yang äquivalente westliche Begriffe zu finden. Yang übertrug er mit dem Wort »Aktivität« ins Deutsche und Yin mit dem Begriff »Struktivität«.
Mit dem Kunstbegriff »Struktivität« rief er zunächst Erstaunen hervor und schuf sogar Verwirrung. Aber gerade dadurch ermöglichte er eine sinnvolle Annäherung an das chinesische Denken. Denn für viele chinesische Begriffe gibt es in unserer Sprache keine Wörter mit dem gleichen Bedeutungsgehalt. Das macht Übersetzungen verständlicherweise schwierig.
Außerdem ordnen wir die uns bekannten Begriffe nur allzu leicht in unsere Vorstellungswelt ein. Das Erstaunen hingegen hilft uns, uns besser auf die Andersartigkeit der chinesischen Weltanschauung einzulassen.
YANG IST AKTIVITÄT
Im Gegensatz zu »Struktivität« ist uns »Aktivität« vertraut, denn dieser Begriff entstammt der Alltagssprache. Und in diesem Fall ist es tatsächlich so, dass unser Verständnis von Aktivität weitgehend denjenigen Inhalten entspricht, die man in China mit Yang assoziiert.
Denn alle aktiven Kräfte gelten als Yang – ob wir etwas gestalten, mit anderen Menschen reden oder Fantasien entwickeln.
Ob es sich um eine konstruktive oder destruktive Aktivität handelt, spielt dabei keine Rolle.
Yang verändert, bewegt, löst auf, zerstört – entscheidend ist die Richtung auf ein Objekt zu, nicht etwa die Frage, ob das Ergebnis gut oder schlecht ist.
Yin und Yang – sie sind der Weg des Universums.
Innerer Klassiker des Gelben Kaisers, Kap. 5
YIN IST STRUKTIVITÄT
In unserer Vorstellungswelt ist das Gegenteil von Aktivität die Passivität. Doch Yin meint etwas anderes. Am besten lässt sich Yin in seinem Wechselspiel mit Yang begreifen. Wenn sich ein Yang – also eine Aktivität – entfaltet, hängt seine Wirkung davon ab, welchem Yin oder welcher »Struktivität« es begegnet. Der Kunstbegriff »Struktivität« setzt sich aus den Worten »Struktur« und »Aktivität« zusammen und beschreibt die Fähigkeit, sich verändern zu lassen und dennoch an Struktur zu gewinnen.
Eine Aktivität also, die sich auf ein bestimmtes Ziel richtet, trifft stets auf ein Gegenüber. Dieses Gegenüber, sofern es lebendig ist, hat neben dem Yang auch Yin-Fähigkeiten. Es hat die Möglichkeit, etwas aufzunehmen und es zu verarbeiten. Wenn ich also spreche und damit Yang entfalte, dann kann mein Gesprächspartner meine Worte hören und ihren Sinn verstehen. Das Aufnehmen von Inhalten nützt seiner Struktur: Zum Beispiel eignet er sich neues Wissen an.
Im Zuhören steckt eine Form von Aktivität, die nach innen gerichtet ist. Diese verarbeitende Aktivität ist ganz wichtig, damit man etwas dazugewinnt und das Aufgenommene nicht verpufft. Unsere Fähigkeit, etwas mitzunehmen und dem eigenen Wissen
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