Das Gesetz der Balance - chinesisches Gesundheitswissen für ein langes Leben
nicht mehr stattfindet: In unseren Wohnzimmern hat der Fernsehapparat teilweise das Gespräch zwischen Menschen ersetzt. Beim Fernsehen gibt es aber keine sinnvolle Interaktion zwischen Yin und Yang mehr. Die Programme lassen Yang auf Sie los: Filme, Information, Werbung, Trailer. So etwas nennt die chinesische Medizin »entfesseltes Yang«: Yang wird ohne Rücksicht auf Yin produziert. Auf ein entfesseltes Yang können wir aber nur mit entfesseltem Yang reagieren.
Und darin liegt der Grund, warum so viele Menschen tatsächlich ständig zwischen den Programmen hin- und herwechseln. Und das Yin? Es kommt völlig zu kurz.
Diese Situation ist so ungesund, weil Yin und Yang nicht im fruchtbaren Austausch miteinander stehen.
MEDIZIN DES AUSGLEICHS
Viele Krankheiten sind darauf zurückzuführen, dass es uns nicht gelingt, das Gleichgewicht zwischen Yin und Yang im Alltag aufzubauen. Das Yang hat für uns Priorität und so bleibt das Yin unterversorgt. Über Wochen, Monate oder sogar Jahre überfordern wir unsere Kräfte, bis dann ein bestimmter Bereich unseres Organismus ausgelaugt und damit ernsthaft krankheitsgefährdet ist.
Im Zentrum der chinesischen Medizin steht der Gedanke des Ausgleichs zwischen den beiden Polen. Daraus entwickelte sich eine ganz andere medizinische Sichtweise als die unsere.
Der TCM geht es nicht um Reparatur oder Manipulation des Organismus. Ihre Therapie zielt darauf ab, den inneren Ausgleich von Yin und Yang zu erwirken und dadurch die Organe zu stärken. Sie möchte die Eigenleistung des Organismus fördern, um Krankheiten zu verhindern oder sie zu heilen, wenn sie schon aufgetreten sind.
NATURGESETZE ACHTEN
Auch die Jahreszeiten wurden in die Yin-Yang-Polarität aufgenommen. So gehören das Frühjahr und der Sommer zum Yang, der Herbst und der Winter zum Yin. Hier ist zu sehen, dass Yang den Phasen entspricht, in denen die Natur explizit nach außen geht: Im Frühling bricht sich neues Leben Bahn, das im Sommer seinen Höhepunkt erreicht. Charakteristisch für Yin ist dagegen eine Bewegung nach innen: Im Herbst beginnt sich die Natur zurückzuziehen, im Winter regeneriert sie sich – für die kommenden Yang-Phasen.
Das wechselseitige Wirken von Yin und Yang gehört zu den grundlegenden Naturgesetzen.
Es bürgt dafür, dass alles Geschehen im Kosmos seinen der Natur entsprechenden Verlauf nimmt. Daher spielt die Achtung vor solchen Naturgesetzen in der chinesischen Mentalität eine große Rolle. Und für uns Menschen ist es wichtig, das Gleichgewicht von Yin und Yang zu unterstützen und aufrechtzuerhalten. Verletzen wir es, so können chinesischer Anschauung nach Schicksalsschläge oder Fehlentwicklungen aller möglichen Art aufkommen – sei es im individuellen Leben oder in der Natur, aber auch in der Politik oder im Wirtschaftsleben.
Weil die Anerkennung der Naturgesetze zur Gesunderhaltung beiträgt, greift die TCM auch in die Lebensführung ein. So frage ich meine Patienten unter vielem anderen auch nach ihrem individuellen Schlafverhalten.
Oder ich versuche herauszufinden, ob sich bei ihnen die Steuerung von Aktivität und Ruhe in einer gesunden Balance befindet. Denn das sagt mir einiges darüber, wie das Verhältnis von Yin und Yang in ihrem Organismus beschaffen ist. Die ausgewogene Polarität von Yin und Yang sollte jeder Mensch in seinem Leben harmonisch entfalten, und zwar ganz individuell, so wie es ihm selbst, seinen Lebensbedingungen und seinen organischen Voraussetzungen am besten entspricht. Das ist das Schöne an der chinesischen Medizin:
Es gibt keine allgemeine Grundhaltung der Askese und des Verzichts. Und es ist auch nicht ihr Anliegen, eine weltfremde Lebensweise anzuraten, damit wir gesund bleiben. Ihr Ziel ist immer das Gleichgewicht. Wer also beispielsweise viel arbeitet, muss einfach gut schlafen.
Dann schadet ihm die Arbeit nicht. Die chinesischen Vorstellungen sind sehr am Leben orientiert. Und sie ähneln in vieler Hinsicht denen, die noch in der Generation unserer Großeltern auch bei uns üblich waren.
INNERE BEZIEHUNGEN
Den Chinesen macht es große Freude, die Yin-Yang-Thematik in alltäglichen, aber auch in kulturellen, gesellschaftlichen oder politischen Phänomenen wiederzufinden. Sie klassifizieren praktisch alles als Yin und Yang. Ja, der Spaß geht sogar so weit, dass sie parallele Entwicklungen in Dingen erkennen, die wir – unter dem Aspekt der kausalen Zusammenhänge – in keiner Weise in Verbindung brinen würden. Dazu ein
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