Das Gesetz der Balance - chinesisches Gesundheitswissen für ein langes Leben
starke Holz verfügt also über außerordentliche Flexibilität und Vitalität – eben über jene Eigenschaften, die einen harmonisch arbeitenden Funktionskreis Leber ausmachen.
WANDLUNGSPHASE HOLZ
Chinesischer Vorstellung nach ist die ganze Welt ein Gefüge voller Beziehungen. Alles ist miteinander verbunden. Daher ruft jede einzelne Wandlungsphase eine Fülle von Assoziationen hervor, die für Chinesen und TCM-Ärzte selbstverständlich, für uns westlich denkende Menschen aber erst einmal fremd sind. Um Ihnen ein Beispiel zu geben, möchte ich noch einmal den Inneren Klassiker des Gelben Kaisers zitieren, das wohl berühmteste und über 2000 Jahre alte medizinische Werk Chinas: »Der Osten bringt den Wind hervor. Der Wind bringt das Holz hervor.
Das Holz bringt den sauren Geschmack hervor. Der saure Geschmack bringt die Leber hervor. Die Leber bringt die Muskeln hervor. (…) Die Leber herrscht über die Augen.«
Wie wir später noch sehen werden, sind solche Beziehungen in der TCM von großer Bedeutung. Sie liefern das Gerüst dafür, die Zusammenhänge zwischen verschiedenenorganischen Prozessen zu verstehen und eventuelle Fehlfunktionen zu entdecken.
Neben Vitalität und Flexibilität gehören zur Wandlungsphase Holz Qualitäten wie Wachstum, Dynamik, Aktivität, Kreativität. Sie birgt damit jene Kräfte, die nach außen dringen – so wie Frühling und Morgen alle Möglichkeiten des neuen Jahres oder Tages eröffnen.
Die drei Frühlingsmonate sind die Zeit der Entstehung und Entfaltung des Lebens. Himmel und Erde bringen die mannigfaltigen Dinge und Wesen hervor, damit sie aufblühen.
Innerer Klassiker des Gelben Kaisers (Kap. 2)
PATIENTENGESCHICHTE
Frau P. kommt wegen ihrer Schlafstörungen zu mir. Nach einem kurzen Gespräch erzählt sie: »Eigentlich würde ich Ihnen gern meinen Mann in Behandlung schicken, aber der wird nicht kommen. Seit seiner Selbstständigkeit arbeitet er einfach zu viel, sogar am Wochenende. Abends kommt er immer erst sehr spät nach Hause. Dann ist er gereizt und hat keine Lust mehr, irgendetwas zu machen.
Die Kinder nerven ihn nur noch. Wenn ich ihn darauf anspreche, entschuldigt er sich mit dem Arbeitsdruck und den materiellen Werten, die er für die Familie schafft. Wahrscheinlich kann ich nicht schlafen, weil ich Angst habe, ihn zu verlieren.«
Nach einiger Zeit besucht mich Herr P. doch in meiner Sprechstunde. Dynamisch stürmt er in mein Zimmer und sagt, er sei gar nicht wirklich krank. Seine Frau habe ihn »wegen seiner Zipperlein« zu mir geschickt. Sehr schnell sind wir bei seiner beruflichen Belastung, auf die er richtig stolz ist. Ärgerlich sei für ihn lediglich, dass die Orthopäden ihm nicht bei seinen Problemen mit der Achillessehne helfen konnten.
Zunächst hatte Herr P. nämlich seine Überlastung durch regelmäßiges abendliches Joggen kompensiert. So konnte er gut entspannen und den Feierabend genießen. Dann aber bekam er dauerhafte Schmerzen an der Achillessehne und musste das Joggen aufgeben.
Kurze Zeit später stellte sein Hausarzt einen hohen Blutdruck fest. Herr P. ging zum Herzspezialisten, der verschrieb ihm Betablocker.
Jetzt waren die Blutdruckwerte wieder prima.
Stolz berichtet Herr P., dass er die gleichen Tabletten einnehme wie sein Kardiologe – als ob die Einnahme von Betablockern eine Bestätigung für sein erfolgreiches Unternehmertum darstellte. Auf meine Frage nach den Nebenwirkungen betonte er, in seinem Fall seien die Nebenwirkungen belanglos. Aber darüber wolle er eigentlich gar nicht sprechen.
Er sei doch wegen seiner Achillessehne gekommen. Und die Probleme mit ihr habe er schließlich schon vor der Tabletteneinnahme gehabt.
Ich hakte trotzdem nach und erfuhr, dass seine Schwierigkeiten, sich zu entspannen, seit der Einnahme der Betablocker zugenommen haben. Wie ich mich erinnerte, litt seine Frau seit dieser Zeit besonders unter der geistigseelischen Unbewegtheit ihres Mannes.
Auf meine Frage, wann er denn das letzte Mal richtig Urlaub gemacht habe und wie es ihm an freien Tagen erginge, berichtet Herr P. – nicht überraschend –, dass er sich keinen Urlaub leisten könne. Er mache gelegentlich Kurzurlaube, wie etwa den alkoholintensiven Trip mit Studienfreunden neulich. Aber Familienurlaub sei nicht das seine … Am Strand zu liegen gehe ihm furchtbar auf die Nerven. Und die Kinder seien auch immer so laut. Bei der letzten Reise mit seiner Familie sei er die ganze Zeit krank gewesen.
Für Menschen wie Herrn P.
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