Das Gesetz der Neun - Goodkind, T: Gesetz der Neun - The Law of Nines
müsse er sich klarmachen. Es handele sich um eine irreversible Schädigung des Gehirns, und obwohl sie über die genauen Ursachen im Unklaren seien, führe diese unter anderem dazu, dass sie gelegentlich gewalttätig werde. Sie sei eine Gefahr für sich selbst und andere und werde es immer bleiben.
Nach einer Weile ließ Alex sie behutsam wieder auf ihr Bett sinken. Sie war schlaff wie eine Puppe – nichts als ein Bündel aus Knochen und Muskeln, Blut und inneren Organen, das oftmals ohne Bewusstsein vor sich hin vegetierte und bestenfalls über Reste seines einstigen Verstandes verfügte. Als er das Kissen unter ihrem Kopf aufschüttelte, blieb ihr leerer Blick an die Decke gerichtet. Soweit Alex es beurteilen konnte, wusste sie weder, wo sie sich befand, noch, dass jemand bei ihr war. Die meiste Zeit war sie vollkommen abwesend. Ihr Körper hatte diese Tatsache bloß noch nicht recht begriffen.
Er entfernte den Schal von dem Spiegel, faltete ihn zusammen und legte ihn wieder auf die Garderobe, ehe er sich abermals auf der Bettkante niederließ.
Dann klingelte sein Handy. Er holte es hervor und meldete sich.
»He, Geburtstagskind«, sagte Bethany, »ich hab eine Riesenüberraschung für dich.«
Alex gab sich Mühe, sich seine Gereiztheit nicht anmerken zu lassen.
»Also, ich fürchte, ich …«
»Ich steh vor deinem Haus.«
Er zögerte einen Moment. »Vor meinem Haus.«
Ihre Stimme ging in einen koketten Singsang über. »Ganz genau.«
»Was tust du dort?«
»Tja also«, erwiderte sie in einem affektiert vertrauten Flüsterton. »Ich warte auf dich. Ich möchte dir dein Geburtstagsgeschenk geben.«
»Danke, dass du daran gedacht hast, Bethany, aber ich brauche wirklich kein Geschenk, ehrlich. Spar dir dein Geld.«
»Mit Geld hat es nichts zu tun«, erwiderte sie. »Schaff einfach deinen Hintern nach Hause, Geburtstagskind. Heute Abend wirst du flachgelegt.«
Allmählich wurde Alex ernsthaft sauer auf sie, er hielt es jedoch für das Geschickteste, ihr das nicht offen zu sagen. Er wollte sich nicht mit einer Frau streiten, die er kaum kannte.
»Versteh doch, Bethany. Ich bin einfach nicht in der Stimmung.«
»Überlass das einfach mir. Ich werde dich schon in Stimmung bringen. Ich finde, du solltest an deinem Geburtstag einfach glücklich werden, und ich bin genau die Richtige dafür, dass es zu einem ganz besonderen Erlebnis wird.«
Bethany war eine attraktive, fast schon üppig zu nennende Frau, aber je näher er sie kennen lernte, desto mehr verlor sie für ihn an Anziehungskraft. Ihre Reize waren bestenfalls oberflächlicher Natur. Es war unmöglich, sich mit ihr über irgendetwas Bedeutsames zu unterhalten. Nicht, weil es ihr an Intellekt gemangelt hätte, sondern weil bedeutsame Dinge sie schlicht nicht
interessierten, was in gewisser Weise schlimmer war. Sie war ein lebendes Beispiel der Oberflächlichkeit, und das aus freien Stücken. Sie schien keine anderen Interessen zu haben, als diese seltsam beschränkte Besessenheit für seine Person und ihr gemeinsames Vergnügen – zumindest, was sie darunter verstand.
»Ich kann im Augenblick nicht«, erklärte er und versuchte nicht verärgert zu klingen, obwohl er kurz davor war.
Sie ließ ein gehauchtes, anzügliches Lachen hören. »Oh, ich werde schon dafür sorgen, dass du kannst. Mach dir deswegen bloß keinen Kopf. Sieh einfach zu, dass du nach Hause kommst, und überlass Beth den Rest.«
»Ich besuche gerade meine Mutter.«
»Ich denke, ich kann eine bessere Party schmeißen. Versprochen. Komm einfach her, und gib mir eine Chance, deinen Geburtstag zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen.«
»Meine Mutter liegt im Krankenhaus, es geht ihr nicht sehr gut. Ich werde noch eine Weile bei ihr bleiben.«
Das ließ Bethany endlich für einen Augenblick verstummen.
»Oh«, machte sie schließlich, »das wusste ich nicht.«
»Ich rufe dich später zurück«, sagte Alex. »In ein paar Tagen oder so.«
»Also«, sagte sie verunsichert und merklich nicht gewillt, das Gespräch so plötzlich zu beenden, »deine Mutter wird doch bestimmt ihre Ruhe brauchen. Warum rufst du mich nicht nachher noch an, nach deinem Besuch.«
Irgendwie klang es nicht wie eine Frage, eher wie ein Befehl. Er hatte dieses Gespräch nicht führen wollen, jedenfalls nicht jetzt, hier, am Bett seiner Mutter. Doch Bethany ließ ihm keine Wahl.
»Hör zu, die Wahrheit ist, ich glaube, ich bin einfach nicht der Richtige für dich. Es gibt jede Menge Männer, die
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