Das Gesetz der Neun - Goodkind, T: Gesetz der Neun - The Law of Nines
Martin schließlich, während er sich den Vorgang detailliert in Erinnerung zu rufen schien, »da kam dieser Mann in den Laden und hat sich umgesehen. Aber mir wurde schnell klar, dass er den ausgestellten Werken keine Beachtung schenkte. Anders, als es Kunden für gewöhnlich tun, verzichtete er darauf, sich verschiedene Arbeiten anzusehen. Er schien etwas ganz Bestimmtes zu suchen. Ich fragte ihn, ob ich ihm etwas Besonderes zeigen könne.
Er bejahte und meinte, er wolle etwas von Alexander Rahl sehen. Natürlich habe ich ihm Ihre Bilder nur zu gern gezeigt. Ehe ich überhaupt dazu kam, ein Loblied auf Sie anzustimmen, erklärte er bereits, dass er sie nehmen wolle. Ich zeigte ihm alle sechs Ihrer Arbeiten und fragte ihn, an welchem er denn interessiert sei, woraufhin er erklärte, er würde sie alle nehmen. Für einen Moment war ich verblüfft.
Dann fragte er mich, wie viel er schuldig sei. Er hat sich nicht mal nach dem Preis erkundigt. Fragte nur, was er schuldig sei.«
Mr. Martin benetzte seine Lippen. »Ich habe mich riesig gefreut für Sie. Mir war bewusst, wie dringend Sie das Geld benötigen, Alex, also habe ich mich wieder gefasst und die Gelegenheit beim Schopf ergriffen, um, in meiner Funktion als Besitzer der Galerie und Ihr Vertrauensmann, den bestmöglichen Preis für Sie zu erzielen. Ich ließ mir den überholten, niedrigen Preis, den wir zuvor verlangt hatten, kurz durch den Kopf gehen und fügte, in Anbetracht des Kaufinteresses des Mannes, einen geringen Betrag hinzu.«
Alex zeigte sich über sein Glück und Mr. Martins Geistesgegenwart leicht amüsiert. »Und, wie viel haben Sie nun hinzugefügt?«
Mr. Martin schluckte. »Ich habe den Preis verdoppelt. Ich erklärte dem Kunden, dass die Bilder viertausend pro Stück kosteten – und dass sie eine hervorragende Investition in einen aufstrebenden Künstler darstellten.«
»Das sind vierundzwanzigtausend Dollar«, erwiderte Alex beeindruckt. »Sie haben sich Ihre Kommission zweifellos verdient, Mr. Martin.«
Mr. Martin nickte. »Nach Abzug der Kommission beläuft sich Ihr Anteil demnach auf vierzehntausendsechshundert Dollar.«
Er begann unverzüglich mit dem Abzählen der Einhundert-Dollar-Noten. Alex stand leicht benommen daneben. Kaum war er fertig, atmete der Galeriebesitzer einmal tief durch. Er schien froh, das Geld los zu sein. Alex richtete den dicken Packen Einhundert-Dollar-Scheine und steckte das Geld samt Umschlag ein.
Ihm war unbegreiflich, wieso der Mann einen so nervösen Eindruck machte. Mr. Martin verkaufte des Öfteren Gemälde für sehr viel mehr als den Erlös von Alex’ Bildern. Eines der Gemälde von R. C. Dillion wäre für einen deutlich höheren Betrag weggegangen als die Summe, die Alex soeben für sechs bekommen hatte. Vielleicht lag es daran, dass alles bar bezahlt worden war.
»Und weiter?«, hakte Alex mit wachsendem Argwohn nach. »Hat der Mann außerdem noch was gesagt?«
»Die Geschichte geht noch weiter.« Mr. Martin richtete den orangefarbenen Knoten an seinem Hals. »Nachdem er bezahlt hatte – in bar, mit denselben Scheinen, die ich Ihnen soeben gegeben habe – sagte er: ›Jetzt gehören diese Bilder mir, richtig?‹ Ich antwortete: ›Ja, selbstverständlich.‹
Dann nahm er eines der Gemälde in die Hand, zog einen dicken schwarzen Markierstift aus seiner Tasche – Sie wissen schon, die Sorte, die man nicht mehr abbekommt – und ging daran, quer über das Bild zu schreiben. Ich war wie gelähmt. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Als er fertig war, machte er dasselbe der Reihe nach mit den anderen. Hat sie einfach vollgekritzelt.«
Händeringend fuhr Mr. Martin fort: »So etwas hatte ich noch nie erlebt. Ich fragte ihn, was er glaube dort zu tun. Er gab zurück, dass die Bilder ihm gehörten und er damit verdammt noch mal tun könne, was immer ihm beliebe.«
Mr. Martin beugte sich näher. »Ich hätte ihn daran gehindert, Alex, ich schwöre es, aber, nun ja, sie gehörten schließlich ihm und er war in seinem Vorgehen sehr … bestimmt. Wegen seines veränderten Gebarens bekam ich es mit der Angst, was wohl passieren würde, wenn ich mich einmischte, also ließ ich es. Schließlich hatte ich ja das Geld – noch dazu in bar.«
»Er hat also erst alle meine Bilder vollgekritzelt, dann hat er sich die ruinierten Gemälde geschnappt und ist gegangen?«
Mr. Martin kratzte sich am Kinn und wandte den Blick ab. »Nein. Er stellte sie wieder hin und meinte, er wolle, dass ich Sie Ihnen
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