Das Gesetz der Neun - Goodkind, T: Gesetz der Neun - The Law of Nines
hatte nicht noch einmal versucht, Verbindung zu ihm aufzunehmen. Je mehr Zeit verging, desto mehr verblasste seine Hoffnung. Wäre sie real und ihre Geschichte wahr, hätte sie bestimmt längst etwas unternommen. Sie hätte ihn kontaktiert, eine Nachricht geschickt … irgendwas.
Er konnte nicht sicher sein, dass sie nicht an irgendeiner Betrügerei von Leuten beteiligt war, die ihn hereinzulegen versuchten, aber die Möglichkeit bestand, und das beschäftigte ihn.
Er hatte keinerlei Anzeichen für Menschen aus einer anderen Welt bemerkt. Tatsächlich mochte er sich nicht länger mit ihren Eröffnungen befassen, denn mit jedem verstreichenden Tag schien das Ganze absurder, und er wollte Jax nicht in einem so wenig schmeichelhaften Licht sehen. Weder als Betrügerin noch als Irre, die sich einbildete, von einem fremden Planeten zu stammen. Mit seiner geisteskranken Mutter war sein Bedarf an Verrücktheit mehr als gedeckt.
Da er letztendlich nicht wusste, was er denken sollte, versuchte er, seine Gedanken an Jax beiseitezuschieben und sich ganz auf seine Malerei zu konzentrieren.
In der Schwärze draußen zuckten die Blitze im Stakkato und verliehen den regenglänzenden Bäumen ein gespenstisches Aussehen. Wann immer der Wind aufheulte, die Blitze zuckten und flackerten, schienen sich die Äste in einem plötzlichen Anfall hin und her zu werfen, fast so, als taumelten die Bäume durch das tiefschwarze Dunkel. Ab und an nahm der gegen die Scheiben peitschende Regen an Heftigkeit zu, so dass das sanfte Prasseln
zu einem leisen Tosen anschwoll. Im Laufe des Abends spülte der Regen immer wieder in heftigen Güssen über das Haus hinweg, so als wollte er es in Trümmer legen und fortspülen.
Das Unwetter kam Alex gerade recht, denn er war damit beschäftigt, ein Gebirgsmassiv zu malen, zwischen dessen hoch aufragende Gipfel sich Wolkenschwaden schoben. Das Getöse brachte ihm die Natur auf greifbare Weise näher, während er an einem dunklen Wald unterhalb der hochfliegenden Wolken arbeitete.
Gegen Mitternacht klingelte es an der Tür.
14
Für einen Moment erstarrte Alex, den Pinsel in der Hand, während das Echo der Türklingel allmählich verhallte. Sein erster Gedanke war, ob es womöglich Jax sein könnte.
Rasch verwarf er ihn. Dergleichen anzunehmen war albern. Doch dann wurde ihm klar, dass es, wenn sie es zufällig doch sein sollte, noch viel alberner wäre, sie draußen im Regen stehen zu lassen.
Er stellte den Pinsel in das Wasserglas auf dem Tisch neben seiner Staffelei und wischte sich die Hände an einem Handtuch ab, während er seinen Stuhl zurückrollte. Beim Aufstehen bemerkte er einen Lichtreflex. Er blickte kurz in den Spiegel auf der anderen Zimmerseite, um seine unordentlichen Haare nach hinten zu streichen.
Außer in seinem Atelier brannte nirgendwo im Haus Licht. Dank der flackernden Blitze war es im Flur hell genug, so dass er gar nicht erst nach Schaltern suchte, sondern schwungvoll um die Ecke des im Dunkeln liegenden Wohnzimmers bog. Auf
jeden knisternden Blitz folgte ein Donnerschlag, der das Haus in seinen Grundfesten erzittern ließ. Draußen prasselte der Regen gegen die Fensterscheiben, und die durch das hohe Fenster einfallenden Blitze warfen gleißend helle Lichtstreifen über die Hartholzdielen im Wohnzimmer.
An der Tür blieb Alex stehen – anders als sein Herz, das vor Erwartung heftig schlug.
Als er einen kurzen Blick durch den Türspion riskierte, bot sich ihm ein ganz und gar unerwarteter Anblick.
Neben dem Verandalicht, knapp unter dem Vordach und geschützt vor dem Regen, stand Bethany. Sie war allein.
Im dunklen Wohnzimmer stehend verließ ihn aller Mut. Es war also doch nicht Jax. Ein tiefer Seufzer entfuhr ihm.
Er hatte seit Wochen nicht mit Bethany gesprochen, denn nach Jax’ Warnung, dass Menschen einer anderen Art ihm über sein Telefon auf der Spur seien, hatte er es zertrümmert und in den Müllbehälter eines kleinen Supermarktes geworfen. Zu jener Zeit war ihm das vernünftig erschienen.
Anschließend hatte er sich von einem Ständer im Innern des Ladens ein Handy mit Prepaidkarte gekauft. Das hatte natürlich eine andere Nummer, die er bei seiner neuen Galerie und einigen anderen Stellen, wo man ihn möglicherweise erreichen musste, hinterlegte, so zum Beispiel der Anwaltskanzlei in Boston. Das einfache Telefon genügte seinen Ansprüchen. Da er ohnehin nichts für ausufernde Telefonate übrighatte, hatte er seitdem nicht einmal die Karte aufladen
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