Das Gesetz der Neun - Goodkind, T: Gesetz der Neun - The Law of Nines
dass er seine sterbliche Hülle lieber der reinigenden Kraft des Feuers überlassen wolle. In Anbetracht der Umstände schien eine Einäscherung dennoch herzlos. Trotzdem, es war nun mal der Wille seines Großvaters.
Vor allem aber existierte Ben selbst nicht mehr, das, was ihn ausgemacht hatte. Die Überreste waren nicht er, jedenfalls nicht in Alex’ Augen. Durch das Feuer waren die Überreste befreit worden, um wieder in den Elementen des Universums aufzugehen.
Auch das Haus existierte nicht mehr. Selbst das Fundament
war größtenteils in sich zusammengefallen, und der noch stehende Rest war instabil und machte einen einsturzgefährdeten Eindruck. Nachdem der Brandmeister und der Sachverständige der Versicherungsgesellschaft ihre Untersuchung abgeschlossen hatten, hatten sie das Grundstück Alex übergeben. Auf Anraten der Stadt hatte Alex eine Firma mit dem Abtransport der Trümmer und dem Wiederauffüllen der Grube beauftragt.
Seitdem fühlte er sich wie im Traum, wenn er die Straße bis zum Grundstück seines Großvaters entlangging. Selbst wenn er direkt davor stand und die klaffende Lücke in der Häuserzeile betrachtete, das eingeebnete Baugrundstück, wollte er es nicht wahrhaben. Es schien undenkbar, dass dies alles nicht mehr existieren sollte – sein Großvater, aber auch das Haus, in dem Alex während der zweiten Hälfte seiner Jugend aufgewachsen war.
Es war nicht das Einzige, das sich in den darauffolgenden Wochen wie ein Traum anfühlte. Mitunter fragte er sich, ob er sich Jax womöglich nur eingebildet hatte.
Anfangs, unter der erdrückenden Last seines Kummers, hatte er nicht viel über sie nachgedacht. Er überließ sich ganz dem Einerlei seiner täglichen Übungen. Der Einzige, an den er wirklich denken konnte, war Ben. Zudem erforderten ganz reale Dinge seine Aufmerksamkeit, und es gab niemanden, der ihm die abgenommen oder ihm geholfen hätte.
Mit der Zeit jedoch kehrten die bohrenden Gedanken an Jax zurück. Da seine Mutter in einer Irrenanstalt lebte, war es ein Leichtes, sich einzureden, er sei im Begriff, demselben wahnhaften Irrsinn zu verfallen, der auch von ihr Besitz ergriffen hatte. Manchmal war ihm, als lauere dieser Irrsinn unmittelbar außerhalb seines Blickfeldes, bereit, sich seiner ebenfalls zu bemächtigen.
Er gab sich größte Mühe, solche Ängste im richtigen Verhältnis
zu sehen, ihnen keine Macht über sich einzuräumen, seine Fantasie nicht mit sich durchgehen zu lassen. Gewiss, seine Mutter war krank, aber das bedeutete nicht, dass ihm das gleiche Schicksal drohte.
Seit sie ihm an seinem Geburtstag geraten hatte, zu fliehen und sich zu verstecken, sie ihn vor besagten Menschen einer anderen Art gewarnt hatte, die Leuten das Genick brachen, hatte sie kein Wort mehr gesprochen. Bisweilen sorgte er sich, er könnte ihre seltsamen Bemerkungen irgendwie verinnerlicht und sich Jax mitsamt ihrer Geschichte nur eingebildet, seinen eigenen Wahn geschaffen haben.
Obwohl er einerseits wusste, dass sie unmöglich seiner Fantasie entsprungen sein konnte, schien es mitunter einfacher, so zu denken – wie bei den Landschaften, die er so gerne malte. Höchstwahrscheinlich jedoch waren solche Gedanken auf seine Enttäuschung darüber zurückzuführen, dass sie nie wieder versucht hatte, Verbindung zu ihm aufzunehmen. Er machte sich bloß Vorwürfe, weil er sie verscheucht hatte, und suhlte sich in Selbstmitleid.
Eine Zeitlang hatte sein Verlangen, Jax’ Geschichte zu glauben, durch die Entdeckung einer populärwissenschaftlichen Zeitschrift im Laden Auftrieb erhalten. Auf dem Titelbild war ein mit Galaxien durchsetztes Sternenmeer abgebildet, darunter die Überschrift: »Unser Universum und die Theorie der Multiplizität – sind wir am Ende nicht allein?«
An jenem Abend saß Alex in seinem stillen Haus und vertiefte sich in die Artikelreihe, die um die Möglichkeit anderer Universen jenseits des sogenannten »Lichthorizonts« kreiste, ein in der Kosmologie des Urknalls verwendeter Begriff, der die Grenzen des beobachtbaren Universums beschrieb, die größtmögliche für Astronomen einsehbare Entfernung. Da das jenseits
dieses Lichthorizonts befindliche Licht noch nicht eingetroffen und somit unsichtbar war, war die tatsächliche Größe des Universums ebenso unbekannt wie das, was womöglich jenseits davon lag.
Astrophysiker spekulierten, wie ein aus Raum, Zeit und Materie bestehendes Universum mithilfe von Wurmlöchern so gekrümmt sein könnte, dass seine
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