Das Gesetz der Neun - Goodkind, T: Gesetz der Neun - The Law of Nines
große Kräfte verfügt, obwohl nie näher ausgeführt wird, was das für Kräfte sein sollen. In manchen Übersetzungen gilt sie als hochverehrt, in anderen dagegen wird angedeutet, dass sie sehr gefürchtet war.« Mary seufzte. »Sie ist eben eine Frau voller Geheimnisse.« Ihr Lächeln bekam etwas Durchtriebenes. »Aber sie besitzt Magie.«
»Ich begreife nicht, wie Sie das behaupten können«, meinte Alex.
Sie sah ihm eine Weile fest in die Augen. »Ich weiß es, weil sich die Menschen vor ihr fürchten. Ich habe Kunden, die Figuren aller Art sammeln – selbst von den beängstigendsten Zauberern. Aber selbst von denen möchte sie kaum jemand in seiner Sammlung haben.«
»Abergläubischer Unfug«, sagte Alex. »Wenn sie nichts über diese Frau wissen, warum sollten sie dann Angst vor ihr haben?«
Die Ladenbesitzerin zuckte mit den Achseln. »Das weiß ich nicht. Wenn ich ehrlich sein soll, sie ist meine Lieblingsfigur.« Stolz blickte sie auf die kleine Figur hinab und drehte sie in ihren Händen. »Die ›geheimnisvolle Frau‹ war schon immer meine Lieblingsfigur, solange ich den Laden besitze.«
Schließlich fing sie sich wieder und hielt ihnen die Figur hin. »Hätten Sie vielleicht Interesse daran, eine geheimnisvolle Frau in Ihr Leben zu lassen?«
Jax, ein wenig blass geworden, drehte sich geflissentlich fort.
Alex hatte bereits eine geheimnisvolle Frau in sein Leben gelassen, behielt es aber für sich. »Vielleicht ein andermal.«
Die Ladenbesitzerin lächelte traurig. »Verstehe. Viele Menschen fürchten sich vor ihr.«
»Ich fürchte mich nicht vor ihr«, meinte Alex, wie um sich zu rechtfertigen.
»Gut.« Die Ladenbesitzerin stellte die Figur ins Regal zurück, wo sie von einem kleinen Punktstrahler angeleuchtet wurde. »In der heutigen Welt hat die geheimnisvolle Frau Freunde dringend nötig.«
»Ich möchte gehen, Alex«, raunte Jax erneut, nachdrücklicher diesmal.
Alex legte ihr eine Hand auf den Rücken, um sie zu beruhigen und ihr zu zeigen, dass er sie gehört hatte.
»Also vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Aber jetzt müssen wir weiter.«
Alex musste sich beeilen, um Jax einzuholen.
»Was ist denn?«, fragte er. Statt ihm zu antworten, marschierte sie weiter die Halle entlang.
»Ich möchte nicht darüber sprechen.«
»Jax, was ist denn los? Geht es dir gut?«
»Nein, es geht mir nicht gut. Das war ein schrecklicher Ort.«
»Schrecklich? Wie meinst du das?«
»Alles dort ist verkehrt, auch wenn ich einigen der Dinge dort den Geist ihrer Herkunft ansehen kann.«
»Gut und schön, aber wieso lässt du dich davon so sehr aus der Fassung bringen?«
»Weil man dort all den Firlefanz hat, aber alles Menschliche dahinter fehlt. Man konzentriert sich auf die völlig falschen Dinge. So gibt es dort einen Zauberer, der einen dämlichen Stab
schwingt, um einen Hund schweben zu lassen. Ein echter Zauberer würde einem leidenden Menschen die Hand auflegen, um eine schwere Last von seinem Herzen zu nehmen. Stattdessen werden die Menschen dort wie Spieltrophäen ausgestellt.«
»Aber das ist doch nicht böse gemeint, Jax. Das sind doch nur Nippesfiguren.«
»Das ist es nicht allein.«
»Sondern?«
Sie blieb abrupt stehen, wandte sich herum und schaute zu ihm hoch, als wollte sie nicht nur um Verständnis, sondern um ihr Leben flehen.
»Begreifst du nicht, Alex? Siehst du nicht, was alles verloren gegangen ist? Vermagst du dir auch nur ansatzweise vorzustellen, welch ungeheures Wunder das gewesen sein muss? Die Menschen hier haben keine Erinnerung mehr daran, doch vergessen können sie es genauso wenig. All diese Zeit, und noch immer sehnt sich diese Welt danach und betrauert ihren Verlust. Es war ein solch bemerkenswerter, großartiger und glanzvoller Bestandteil des Lebens, dass die Menschen sich danach zurücksehnen, obwohl sie nicht einmal eine Erinnerung daran haben.«
»Aber das ist vorbei. Wenn es tatsächlich verloren gegangen ist, wie du behauptest, was für einen Unterschied macht das dann heute? Wir sind, wer wir sind.«
Sie tippte sich mit dem Finger gegen die Brust. »Der Unterschied ist der, dass dies auch meine Welt sein wird. Das ist es, was uns bevorsteht. Wir werden, wie die Menschen hier, alles verlieren. Wir sind im Besitz der Wunder, aber wir werden sie verlieren, nur damit einige wenige die Macht an sich reißen können. Man wird uns alles nehmen, was wir besitzen. Das alles wird auf Kosten von Millionen von Menschenleben vernichtet werden,
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