Das Gesetz der Vampire
ernst meinte und auch, dass er die Wahrheit sagte und tatsächlich sein Möglichstes getan hatte. Er fühlte dessen Müdigkeit und sah sich außerstande, ihm die Anstrengung der Suche nach dem Heilmittel noch weiter zuzumuten.
»Lass es gut sein, Sean«, sagte er tonlos. »Ich danke dir für deine Mühe. Ich werde die Technik lernen, mit der man diese mentale Suche betreiben kann und sie selbst fortsetzen, sobald ich sie beherrsche. Schließlich, wenn ich dich richtig verstanden habe, stehen die Chancen, dass dieses Heilmittel überhaupt noch existiert, wie gut? Ich schätze mal eins zu einer Million. Oder noch schlechter.« Er schüttelte den Kopf. »Du hast getan, was du konntest. Dafür danke ich dir und werde dir nicht noch mehr zumuten.«
»Ashton, ich ...«, begann der alte Vampir.
»Lass es gut sein«, unterbrach Ashton ihn schärfer als beabsichtigt. »Ich komme schon damit klar.« Er konnte nicht verhindern, dass wieder einmal Bitterkeit in ihm aufstieg, die seit seiner Verwandlung sein ständiger Begleiter und beinahe schon zu einem neuen Charakterzug geworden war. »Immerhin habt ihr alle auf die Weise ja bekommen, was ihr wolltet. Ich muss ein Vampir bleiben, oder meiner Existenz ein Ende bereiten. Oder ewig nach diesem Heilmittel suchen, das wahrscheinlich gar nicht existiert.«
Er drehte sich um und ging zur Tür. Stevie stellte sich ihm in den Weg. In ihren Augen lag ein tiefes Mitgefühlt, das zu ertragen ihm im Moment unmöglich war. Er hob abwehrend die Hände und trat einen Schritt von ihr zurück.
»Lasst mich einfach in Ruhe, ja?«
Er verschwand in seinem Zimmer, wo er sich wieder ans Fenster stellte, die Schulter gegen den Rahmen lehnte und blicklos in die Nacht hinaus starrte.
Es war vorbei. Es gab kein Heilmittel für ihn, und er würde entweder für den Rest seines ewigen Lebens ein Vampir bleiben oder in den Tod gehen müssen. In diesem Moment war er beinahe entschlossen, Letzteres zu wählen, ohne Rücksicht auf Stevie oder irgendjemand anderen. Er fühlte sich fast so elend wie an dem Tag, an dem Rebecca Morris ihn verwandelt hatte. Hilflos. Hoffnungslos. Verdammt. Gebrochen wie damals, als Mary ermordet worden war. Zum dritten Mal in seinem Leben hatte er jeden Sinn für seine Existenz verloren. Zum ersten Mal durch Marys Tod; danach hatte die Jagd nach ihrem Mörder ihm Halt gegeben, nach seiner Verwandlung die Hoffung, dass es irgendwo auf der Welt ein Heilmittel geben könnte.
Jetzt stand er erneut vor dem Nichts, und er hatte in diesem Moment einfach nicht die Kraft, noch einmal nach einem Sinn zu suchen, mit dem er sein Leben und die Leere in sich füllen konnte. Mit dem Fall Phelps hatte er nichts mehr zu tun. Bei PROTECTOR war er nach wie vor nicht willkommen. Vielleicht würde es ihm irgendwann besser gehen, sobald er sich damit abgefunden hatte, dass es keine Erlösung für ihn gab. Doch im Moment empfand er nur schwärzeste Verzweiflung.
***
Die Vampire blickten einander schweigend an, nachdem Ashton das Zimmer verlassen hatte. Sean ließ sich in einen Sessel fallen, lehnte sich zurück und schloss müde die Augen. Vivian trat hinter ihn und massierte sanft seine Schultern.
Schließlich seufzte Gwynal tief. »Er wird daran zerbrechen«, stellte er nüchtern fest und warf Sean einen anklagenden Blick zu. »Warum hast du ihm die Wahrheit gesagt? Dir ist doch wohl klar, dass du damit nicht nur seine Hoffnung zerstört hast, sondern auch seinen Grund zu leben.«
»Weil er ein Anrecht auf die Wahrheit hat, Gwynal, und das weißt du auch. Wenn er daran zerbricht, so wäre er ohnehin nicht der Mann, den wir als Wächter brauchen. Davon abgesehen ist er sehr viel stärker, als du es ihm zutraust und als ihm selbst bewusst ist. Wir werden sehen, wie er damit umgeht.«
Gwynal starrte ihn eine Weile missmutig an, ehe er den Kopf schüttelte. »Manchmal beneide ich dich um deine Abgeklärtheit, Sen. Zumindest in den Momenten, in denen sie mir nicht tierisch auf den Geist geht.«
Der alte Vampir schmunzelte flüchtig und zuckte mit den Schultern.
»Vielleicht ist noch nicht alles verloren«, meinte Stevie nachdenklich. »Ich glaube, es könnte doch jemanden geben, der Ashton vielleicht heilen kann.« Die beiden Alten sahen sie fragend an. »Sam«, antwortete sie auf die unausgesprochene Frage. »Ich weiß zwar nicht, wie groß ihre magische Macht tatsächlich ist, aber sie ist jedenfalls nicht von schlechten Eltern. Vielleicht ermöglichen ihr diese Kräfte auch, einen
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