Das Gesetz der Vampire
spräche er zu einem Kind, was nicht ganz abwegig war, denn er war immerhin 105 Jahre alt, sah aber keinen Tag älter aus als fünfundzwanzig. »Du weißt, dass das verboten ist.«
»Ich dachte, du bist Vincents Freund und willst den Mord an ihm auch gerächt sehen«, warf Rebecca ihm vor.
»Vincent war nicht nur mein Freund, Mädchen, sondern auch mein Mentor. Ich verdanke ihm, dass ich damals meinen Frieden mit meiner Existenz als Vampir schließen konnte. Gerade deshalb werde ich nicht das Gesetz brechen, das er so streng eingehalten hat.«
»Dann gehe ich zu einem anderen Vampir«, erklärte Rebecca schroff, wandte sich um und ging zur Tür. »Irgendeiner wird mir schon helfen, wenn du zu feige dazu bist.«
Patrick war in einem Sekundenbruchteil neben ihr und hielt sie eisern fest. »Das hat nichts mit Feigheit zu tun, Rebecca. Jeder Vampir, der einen Menschen verwandelt, hat die Wächter auf dem Hals. Und die werden nicht eher ruhen, bis sie den Verbrecher vernichtet haben. Vor denen gibt es kein Entkommen, und sie lassen auch keine noch so gerechtfertigten Gründe für eine solche Tat als mildernde Umstände gelten.«
Rebecca wischte das Argument mit einer Handbewegung beiseite. »Ich werde nicht eher ruhen, bis ich einen Vampir gefunden habe, der sich nicht um dieses Gesetz schert und keine Angst vor euren Wächtern hat.«
Patrick schüttelte den Kopf. »Wenn du unbedingt Rache willst – und das kann ich sehr gut verstehen – warum heuerst du nicht ganz profan einen menschlichen Auftragskiller an, der ihn erledigt? Dafür musst du nicht zum Vampir werden.«
»Weil ich will, dass er genau durch das zu Tode kommt, was er so sehr fürchtet und hasst!«, zischte sie, und ihre Stimme überschlug sich beinahe. »Jede andere Form der Rache wäre«, sie suchte nach passenden Worten, »einfach nicht angemessen!« Sie blickte Patrick flehentlich an. »Ich will ihn so verrückt nach mir machen, dass er sich nach meiner Umarmung sehnt und sich freiwillig anzapfen lässt, bis der letzte Blutstropfen aus ihm herausgesogen ist. Und ich will, dass ein letzter Funke seines Verstandes genau das mitbekommt, er aber keine Möglichkeit hat, sich dagegen zu wehren. Das ist die Rache, die ich will, Patrick. Als Mensch kann ich sie nicht vollziehen. Aber ich werde sie bekommen! Mit deiner Hilfe oder ohne sie.«
Sie machte sich von ihm los und ging zur Tür.
»Warte!«, hielt er sie zurück. »Ich will Vincents Tod genauso dringend gerächt sehen wie du, glaub mir das. Aber der Alte hat befohlen …«
»Scheiß auf den Alten!«, unterbrach sie ihn heftig und starrte ihn herausfordernd an. »Hilfst du mir nun oder nicht?«
Er zögerte. Was sie forderte, durfte nicht sein, ganz abgesehen davon, dass der Alte ganz unmissverständlich klar gemacht hatte, dass der Jäger Ashton Ryder ihm gehörte. Doch auch Patrick wollte Rache für Cronos’ Tod, und es fiel ihm mehr als schwer daran zu glauben, dass das, was der Alte vorhatte, den Jäger wirklich angemessen bestrafen konnte. Immerhin musste und würde sich der Alte streng an das Gesetz halten, weshalb ihm weitgehend die Hände gebunden waren, denn der Jäger war immer noch ein Mensch. Rebeccas Plan war verlockend und versprach genau die Art von Strafe, die Ryders Verbrechen angemessen wäre. Trotzdem war es mehr als riskant ihr nachzugeben.
Die Wächter wussten immer genau, wann und wo und vor allem von wem ein neuer Vampir erschaffen worden war. Wie sie das herausfanden, war ein Geheimnis ihrer Zunft, das sie streng hüteten. Wenn Patrick Rebecca zu einer Vampirin machte, würde er sehr schnell und sehr weit von hier fliehen müssen, denn die Wächter würden ihn von dem Moment an jagen und nicht damit aufhören, bis sie ihn eines Tages erwischten. Sein Tod war am Ende die einzige Strafe, die es für dieses Vergehen gab.
In einem Punkt stimmte er Rebecca jedenfalls zu: Was die Gesetze erlaubten, war für Ashton Ryders Verbrechen einfach viel zu wenig und kam nicht einmal annähernd einer Strafe gleich. Cronos hatte Patrick viel bedeutet. Wenn er Rebecca nicht half, käme das genau genommen einem Verrat an seinem Freund und Mentor gleich, dem er so unendlich viel zu verdanken hatte.
Er seufzte und gab sich geschlagen. »In Ordnung, Rebecca. Es ist verrückt, es ist ein Verbrechen, ich darf es nicht tun – aber egal! Wir können den Mord an Vincent nicht ungesühnt lassen.«
Er drückte sie in einen Sessel, schenkte ihr ein Glas Wein ein, biss sich die Pulsader auf und
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