Das Gesetz der Vampire
Hände. »Ich unterwerfe mich dem Ring der Gerechtigkeit!«, forderte er.
»Das ist dein Recht«, bestätigte Stevie. Sie ballte ihre rechte Hand zur Faust, an der sie einen breiten Goldring mit einem fingernagelgroßen Rubin trug und richtete den Rubin auf Patrick. » Wie lautet das Urteil?« , fragte sie mit einer seltsam veränderten Stimme, die aus einer anderen Dimension zu kommen schien.
Der Rubin leuchtete auf. Ein Lichtstrahl schoss auf Patrick zu, traf seine Stirn und malte darauf ein Zeichen. Obwohl er selbst dieses Zeichen nicht sehen konnte, spürte er seine Bedeutung so klar, als hätte jemand das Urteil laut ausgesprochen.
»Bitte«, flehte Patrick, »ihr könnt mich doch gehen lassen. Ich werde es nie wieder tun, das schwöre ich! Wenn ihr sagt, ihr hättet mich hingerichtet, wird doch niemand die Wahrheit erfahren. Ich verschwinde aus den Staaten und komme nie wieder.«
»Tut mir leid, Patrick«, sagte Stevie ernst. »Wir würden es wissen, und wir werden nicht wegen eines Verbrechers unseren Eid als Wächter brechen. Du hast eine Entscheidung getroffen und trägst nun die Konsequenzen dafür.« Sie trat auf ihn zu. »Aber in einem Punkt hast du recht. Wäre ich keine Wächterin, würde ich genauso wie Rebecca und du Rache an Vincents Mörder wollen. Deshalb danke ich dir, dass du diese Rache möglich gemacht hast.«
Bevor Patrick wusste, wie ihm geschah, gab sie ihm einen leidenschaftlichen Kuss, was ihn derart verwirrte, dass er gar nicht merkte, wie sie ihm nur Sekunden später den Dolch ins Herz stieß und seine Existenz beendete.
***
Das Silver Star entpuppte sich als ein Nachtclub, der außen und innen wie jeder andere Nachtclub aussah. Deshalb wurde er nicht nur von Vampiren frequentiert, wie Rebecca vermutet hatte, sondern auch von Menschen, die keine Ahnung hatten, dass sie sich in Gesellschaft von Vampiren befanden. Rebecca konnte sie auf Anhieb an ihrer Ausstrahlung und ihrem Geruch erkennen.
Es stimmte zwar nicht, dass Vampire »tot« und damit kalt waren, aber sie besaßen einen anderen Stoffwechsel, der sich deutlich von dem der Menschen unterschied. Dadurch verströmten sie auch einen ganz anderen Geruch, und ihre Körpertemperatur lag tatsächlich um etwa zwei bis drei Grad niedriger als bei Menschen.
Rebecca setzte sich an die Bar. Der Barkeeper, ebenfalls ein Vampir, warf ihr einen finsteren Blick zu, kam aber zu ihr herüber.
»Was darf es sein?«, fragte er geschäftsmäßig.
»Limonade«, bestellte sie und erhielt das Gewünschte.
Sie schmeckte sofort, dass es keine normale Limonade war, sondern eine stark mit Wasser verdünnte Variante. Trotzdem hatte Rebecca den Eindruck, noch nie eine derart nach Chemikalien schmeckende und widerlich süße Limo getrunken zu haben. Sie verzog das Gesicht und musste sich beherrschen, um den Schluck nicht in hohem Bogen wieder auszuspucken.
»Die Verwandlung verändert auch die Geschmacksnerven«, erklärte der Keeper leise, der wohl ahnte oder sogar aus Erfahrung wusste, was sie gerade erlebte. »Deshalb können wir normale menschliche Nahrung nur noch in den seltensten Fällen genießen.«
»Ich denke, wir können uns gar nicht mehr davon ernähren«, antwortete sie überrascht.
»Stimmt. Ernähren können wir uns davon nicht mehr. Herkömmliche Nahrung hat ungefähr dieselbe Wirkung wie Ballaststoffe auf den menschlichen Verdauungstrakt. Das heißt, wir scheiden sie unverdaut wieder aus. Nur schmeckt sie uns in der Regel nicht mehr, weil sie für unsere feinen Geschmacksnerven bis auf ganz wenige Ausnahmen zu süß, zu salzig und zu verwürzt ist.« Er sah sie scharf an. »Du bist eine Neue und brauchst sicher Hilfe. Soll ich einen Mentor für dich finden?«
Rebecca schüttelte den Kopf. »Ich will nur wissen, wie ich einen Jäger aufspüren kann. Einen bestimmten.«
Der Mann zog die Augenbrauen hoch. »Der Alte hat jede Rache an dem Jäger verboten, der Cronos tötete. Du spielst mit deiner Existenz, wenn du ihm nicht gehorchst. Ebenso wie jeder, der dir hilft.«
»Ich will nicht, dass man mir hilft!«, zischte Rebecca wütend. »Ich will nur wissen, wie man einen Jäger finden kann. Mir das zu sagen, dürfte ja wohl nicht verboten sein.«
Der Mann zögerte. Schließlich deutete er mit einer Kopfbewegung zu einer Ecke des Raums, in der eine platinblonde Vampirin allein an einem Tisch saß mit einem Laptop auf den Knien.
»Luzia kann es dir sagen. Sie behält die Aktivitäten der Jäger immer im Auge.«
»Danke.«
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