Das Gesetz der Vampire
Vampire! Und ich muss zugeben, dass sich Rebecca Morris wahrhaftig die perfekte Rache ausgedacht hat. Sie hätte mir nichts Schlimmeres antun können. Deshalb werde ich noch ein paar von den Monstern mitnehmen, bevor ich ein Ende mache.«
»Ashton, sieh es doch mal von unserer Seite aus, ich meine von der Seite der Jäger. Du warst immerhin auch einer von uns.«
»Das bin ich immer noch, verdammt!«
Harry ignorierte den Einwand. »Wir haben zwar eine Menge Kollegen durch die Vampire verloren, aber bisher haben sie niemals einen Jäger zu einem der ihren gemacht. In diesem Punkt fehlt uns vollkommen die Erfahrung. Die Gefahr, dass du durch diese Verwandlung auch deine Persönlichkeit verlierst, ist einfach zu groß. Du weißt, was diese Teufel mit Menschen anstellen. Wir können dieses Risiko gerade mit dir nicht eingehen. Du kennst uns und unsere Organisation zu gut. Wenn du dich auf deren Seite stellst, gefährdest du uns alle.«
»Ich bin kein Verräter, Harry.« Allein Harrys diesbezügliche Andeutung verletzte ihn tief. »Soweit lasse ich es nicht kommen. Ich werde mich dir stellen. Aber vorher will ich noch meine Rache an ihnen nehmen.«
»Ashton!«
Ashton wartete Harrys weitere Einwände nicht ab. Er legte auf. Obwohl er einerseits die Beweggründe seines Freundes nur zu gut verstehen konnte, war er doch enttäuscht von dessen Verdacht, dass Ashton zur anderen Seite überlaufen könnte. Natürlich hatten weder er noch irgendein anderer Jäger bisher in Erfahrung bringen können, was mit einem verwandelten Menschen tatsächlich passierte, außer dass er eben zu einem Vampir wurde. Doch Ashton konnte sich nicht vorstellen, dass die Verwandlung Einfluss auf seine Moralbegriffe haben könnte.
Andererseits konnte er das in letzter Konsequenz tatsächlich nicht ausschließen, und die Möglichkeit, dass er jeden Augenblick seine Menschlichkeit verlieren könnte, machte ihm eine Scheißangst. Aber selbst das war im Moment nebensächlich. Er musste aus seiner Wohnung verschwinden, denn in weniger als einer Stunde würde Harry hier mit der Kavallerie auftauchen, um ihn zu »erledigen«. Doch bis dahin hatte er noch einiges zu tun.
Er nahm seine »Jagdtasche«, in der er alle Utensilien griffbereit aufbewahrte, die er zur Vernichtung von Vampiren brauchte, steckte noch ein paar andere nützliche Dinge und vor allem alle seine Papiere sowie sämtliches Bargeld ein, das er im Haus hatte und machte sich auf den Weg. Noch vor Morgengrauen würde es in New York ein paar Vampire weniger geben.
***
Ashton fuhr mit seinem Wagen ziellos durch die Nacht. Er empfand den Zustand, in dem er sich befand, als grauenhaft, woran keineswegs nur der nagende Hunger schuld war. Seine übersensiblen Sinne sorgten für eine Reizüberflutung, die allein schon ausgereicht hätte, ihm den Verstand zu rauben.
Er hörte die Vibrationen der Elektrokabel über den Straßen. Gesprächsfetzen aus den Häusern flogen an ihm vorbei. Er konnte genau hören, wer welches Fernsehprogramm und welchen Musiksender eingeschaltet hatte. Er vernahm die Geräusche von Menschen beim Sex. Seine Nase roch das Benzin in den Autos, die Abgase, den Straßenbelag, den Urin, den Hunde, Katzen und Menschen an den Ecken hinterlassen hatten, den Kot der Ratten, die Ausdünstungen der Obdachlosen und alles andere mit einer Intensität, dass ihm davon übel wurde.
Als er auch einen starken Blutgeruch wahrnahm, lenkte ihn das vorübergehend von diesem Grauen ab. Er befand sich am Rande des Industriegebiets, und der Schlachthof war ganz in der Nähe. Genau dort spürte er auch die Anwesenheit einiger Vampire. Er hatte zwar keine Ahnung, woher er wusste, dass die Präsenzen, die er fühlte, Vampiren gehörten, doch er war sich dessen instinktiv absolut sicher.
Ashton vergaß die Reizüberflutung und konzentrierte sich nur noch auf die Jagd. Die Vampire mussten ihn ebenfalls spüren, was allerdings kein Nachteil für ihn war. Sie würden ihn als einen der Ihren erkennen und nicht als Bedrohung einstufen.
Er fuhr zum Schlachthof und parkte den Wagen auf dem um diese Zeit fast leeren Kundenparkplatz. Die Vampire – es waren vier – hatten sich an einer Laderampe versammelt. Sie sahen ihm aufmerksam entgegen und nickten ihm grüßend zu.
»Hallo, Bruder«, sagte einer von ihnen, und allein diese Anrede weckte in Ashton maßlose Wut. »Du bist ganz neu entstanden«, stellte der Vampir fest. »Hast du schon einen Mentor?«
Ashton wollte keinen Mentor, er wollte diese
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