Das Gesetz der Vampire
gewesen wäre. Doch dass sie ausgerechnet mit ihm teilen sollte, was sie sich vergeblich gewünscht hatte mit Cronos zu teilen, war beinahe unerträglich.
Leider gab es darüber nicht den geringsten Zweifel. Ebenso wenig wie es etwas gab, das sie dagegen hätte tun können. Diese Ausweglosigkeit machte sie wütend.
Ashton schlug übergangslos die Augen auf und fuhr hoch, als er merkte, dass jemand neben ihm stand. Er entspannte sich augenblicklich wieder, als er Stevie erkannte.
»Ist etwas nicht in Ordnung?«, fragte er beunruhigt.
»Alles okay«, sagte sie flach und griff zur erstbesten Begründung, die ihr dafür einfiel, dass sie mitten am Tag an seinem Bett stand und ihn beobachtete. »Ich dachte, ich hätte dich rufen gehört.«
Er fuhr sich müde mit der Hand über das Gesicht. »Man hat mir schon des Öfteren gesagt, dass ich manchmal im Schlaf rede. Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe.«
»Schon gut.«
Stevie wandte sich um und ging in ihr Schlafzimmer zurück. Ausgerechnet Ashton Ryder, der gnadenlose Jäger! Wenn es dafür nicht längst zu spät gewesen wäre, hätte sie sich Gwynals Anweisung widersetzt und Ashton einem anderen Mentor übergeben. Heilige Mutter Gottes, warum musste das Schicksal ausgerechnet mit ihr ein so gemeines Spiel spielen! Warum ...
Stevie verdrängte die unangenehmen Gedanken mit aller Gewalt und zwang sich, sich nur auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Sie war Ryders Mentorin; nicht mehr, nicht weniger. Alles andere war bedeutungslos.
***
Stevie kümmerte sich in den folgenden Tagen überaus effektiv um Ashton und brachte ihm alles bei, was er als Vampir wissen musste. Sie war dabei von emotionsloser Sachlichkeit und ließ mit keinem Wort und keiner Geste mehr durchblicken, dass sie ihn immer noch verabscheute, wofür er dankbar war.
Allerdings stellte er fest, dass sie ihn oft auf eine merkwürdige Art und Weise ansah, wenn sie glaubte, dass er es nicht bemerkte. Anfangs immer mit dieser Mischung aus Bestürzung und Ablehnung wie an dem Abend, als sie zum ersten Mal versucht hatte, ihm den Trick mit der Dämpfung der vampirischen Sinne beizubringen. Immer häufiger wurde sie dabei jedoch nachdenklich, und er hätte gern gewusst, was in ihr vorging. Er sprach sie jedoch nicht darauf an. Schließlich hatte er mit sich selbst genug zu tun.
Erst nachdem er sich ausreichend und vor allem regelmäßig ernährte, spürte er, welche Kraft er als Vampir tatsächlich besaß. Dieses Gefühl hatte etwas Überwältigendes, das ihn ein paar Tage lang in Euphorie versetzte, bis er sich daran gewöhnt hatte und begann, diesen Zustand als die neue Normalität zu empfinden. Nach sechs Tagen war er schließlich auch imstande, im vampirischen Sinn normal zu sehen und zu hören und die Geräusch- und Geruchskulisse weitgehend auszublenden.
Er konnte andere Vampire in einem Radius von mehreren Meilen wahrnehmen, und die Nacht war voll verborgenen Lebens und voller Geheimnisse, was auf Ashton beinahe wie eine Droge wirkte. Er fand sogar Geschmack an dem Blut, das er nun zum Leben brauchte und lernte schnell, die einzelnen Blutarten schon an ihrem Geruch zu unterscheiden.
Die Jäger hatten nach einer Woche, in der sie keine Spur von ihm oder irgendeinem anderen Vampir finden konnten, die Stadt wieder verlassen. Nur Harry Quinn war noch geblieben und suchte unverdrossen weiter. Ashton hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, ihn heimlich zu beobachten und stellte fest, dass sein Freund genau an den Orten nach ihm suchte, an denen er sich verborgen oder aufgehalten hätte, wäre er nicht bei Stevie untergeschlüpft. Zu seinem Glück konnte Harry sich nicht vorstellen, dass Ashton in irgendeiner Form von anderen Vampiren Unterstützung erhalten könnte, andernfalls er seine Suchkriterien entsprechend modifiziert hätte.
Da ihm nach einer Woche Nichtstun in Stevies Wohnung die Decke auf den Kopf fiel und er es nicht ertragen konnte, die verbleibenden Tage seines restlichen Lebens untätig dahin zu vegetieren, fragte er Mike im Blue Moon nach Arbeit und wurde prompt als Aushilfsbarkeeper eingestellt. Das gab ihm nebenbei auch noch die Möglichkeit, seine neu gewonnenen Sinne und Fähigkeiten im Alltagsleben zu schulen und zu perfektionieren. Mike machte es sich persönlich zur Aufgabe, ihn in allem zu unterstützen und dadurch Stevie bei ihrer Aufgabe als Ashtons Mentorin zu assistieren.
Außerdem bekam Ashton dadurch die Gelegenheit, das Leben der Vampire aus erster Hand zu studieren. Er
Weitere Kostenlose Bücher