Das Gesetz Der Woelfe
Name ist Gaetano Barletta«, begann Clara, wurde jedoch sofort wieder unterbrochen.
»Adresse?«, fragte der Polizist und zückte endlich seinen Notizblock.
»Die kenne ich nicht«, gab Clara zurück. »Er ist Italiener, er verfolgt mich seit längerem, ich …«
»Warum verfolgt er sie denn?«, wollte der junge Beamte wissen. Er hatte sich jetzt zu seinem Kollegen in die Küche gedrängt und bildete mit ihm zusammen ein Bollwerk vor der Tür. Unwillkürlich wich Clara einen Schritt zurück.
»Er … er verfolgt eigentlich nicht mich«, sie hörte, wie ihre Stimme wieder unsicher zu werden begann, und versuchte, sich zu sammeln. »Ich bin Anwältin, ich verteidige einen jungen Mann, er ist auch Italiener. Er sitzt gerade im Gefängnis, wegen einer Bagatellsache, die hat nichts mit Barletta zu tun, er verfolgt meinen Mandanten wegen einer anderen Geschichte, er will ihn töten …«
Der junge Beamte gab ein verächtliches Schnauben von sich und schüttelte den Kopf. Sein Kollege rieb sich erneut die Augen und meinte schließlich betont langsam: »Und dieser Beretta …«
»Barletta!«, korrigierte ihn Clara und spürte, wie der Rest Hoffnung, den sie sich seit ihrem Anruf bei der Polizei hartnäckig bewahrt hatte, zu schwinden begann. »Er heißt Gaetano Barletta!«
»Wie auch immer. Also, dieser Italiener will Ihren Mandanten töten, und weil der im Gefängnis sitzt, hat er stattdessen Ihren Hund gestohlen?« Er hob ironisch die Augenbrauen. Der andere Polizist lachte.
Clara hatte nicht mehr die Kraft zu einer scharfen Erwiderung. Die beiden Beamten standen breitbeinig in ihrer kleinen Küche und maßen sie mit genervten, spöttischen Blicken. Dies und die Tatsache, dass sie ihr die Tür versperrten, ließen ihr den Schweiß ausbrechen. Sie ging rastlos einen Schritt zum Fenster und wieder zurück. Plötzlich wurde ihr schwindlig, und sie drückte hastig die Zigarette in dem Aschenbecher neben der Spüle aus. Krampfhaft klammerte sie sich an der Arbeitsplatte fest. Ihr Blick fiel auf das schmutzige Geschirr, das sich dort gesammelt hatte. Eine stattliche Anzahl Gläser, Tassen und Teller standen dort, unordentlich zusammengeschoben in einem verkrusteten Milchtopf und einer fettigen Bratpfanne. Sie war noch nicht dazu gekommen, es in die Spülmaschine zu räumen. Eine leere Flasche Wein und ein halbvolles Rotweinglas standen daneben. Einige ertrunkene Fruchtfliegen schwammen darin. Sie schloss für einen Moment die Augen und atmete tief ein. Die Beamten verschwanden aus ihrem Blickfeld, und der Schwindel ebbte langsam ab.
»Ist Ihnen nicht gut?« Die Stimme des älteren Polizisten drang scheinheilig teilnahmsvoll an ihr Ohr. Sie öffnete die Augen wieder und schüttelte den Kopf. »Wenn Sie bitte die Küche verlassen würden?« Sie wedelte mit ihrer Hand und scheuchte die beiden Männer, die ihr prompt gehorchten, zur Tür in den Flur hinaus. Ihr war, als strömte frische Luft herein und in ihre Lungen. Ihr Blick fiel auf das Glas auf dem Tisch, und sie nahm es achselzuckend, während sie den beiden Polizeibeamten hinausfolgte. »Ist der Ruf erst einmal ruiniert …«, murmelte sie vor sich hin und kippte die bernsteinfarbene Flüssigkeit vor den Augen der Polizisten hinunter. Der Alkohol brannte scharf in ihrer Kehle, und ihre Augen tränten ein wenig, aber der zittrige Schwindel, der sie in der Küche erfasst hatte, war verflogen. Mit angriffslustig vorgeschobenem Kinn starrte sie die Beamten an. Ein ungemütliches Schweigen machte sich breit, und Clara war nicht gewillt, es als Erste zu brechen. Sie hatte gesagt, was zu sagen war. Mehr gab es nicht hinzuzufügen. Nach einer Weile räusperte sich der junge Polizist und meinte: »War das alles, Frau … äh, Niklas?«
Clara nickte, und in ihrem Blick lag so viel Verachtung, dass der Beamte sichtlich zurückzuckte. Doch er fasste sich rasch und wandte sich mit überheblich heruntergezogenen Mundwinkeln zum Gehen. Sein älterer Kollege schob achselzuckend den Notizblock in die Innentasche seiner Uniformjacke und folgte ihm. Clara begleitete die beiden stumm zur Tür. Als die beiden schon an der Treppe standen, rief sie ihnen noch nach: »Sie haben mich gar nicht gefragt, weshalb Gaetano Barletta meinen Mandanten töten will. Ist das nicht wichtig für Ihre … Ermittlungen?«
Die Beamten starrten sie betreten an. Es war klar, dass sie an ihrem Verstand zweifelten. Hatten Sie ihr nicht deutlich gemacht, was sie von der Geschichte hielten? Hatte sie denn
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