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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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angeblich wegen Missachtung des Gerichts, und führte die Befragung allein durch.«
    Clara schnaubte empört. »Damit ist er aber hoffentlich nicht durchgekommen?«
    Killesreiter sah sie lange an. »Das Mädchen ist nicht durchgekommen. Hat sich in der Nacht die Pulsadern aufgeschnitten. Sie war neunzehn.« Clara wurde kalt. »Gab es eine Untersuchung? Was sagte das Protokoll der Vernehmung?«, fragte sie beklommen.
    Doch sie wusste die Antwort bereits, bevor Killesreiter fortfuhr. »Es gab kein Protokoll. Wie schon gesagt, Oberstein führte die Vernehmung allein durch und hat angeblich alles auf Band aufgenommen. Nur leider, leider war das Band dann«, er schnippte mit den Fingern, »verschwunden.«
    Clara schüttelte den Kopf. »So eine Schweinerei.«
    Killesreiter seufzte. »Die Schweinerei fing danach erst an. Oberstein wurde zunächst beurlaubt, solange die Untersuchung andauern sollte. Diese Untersuchung war natürlich eine Farce. Es gab rein gar nichts festzustellen. Oberstein wurde vernommen, er gab aus dem Gedächtnis an, was während der Vernehmung gesprochen wurde. Natürlich nur belangloses Zeug. Nichts, weswegen sich jemand umbringt. Doch Oberstein hatte sich zu dieser Zeit bereits so viele Feinde gemacht, dass er damit nicht durchgekommen wäre. Die Presse stürzte sich auf den Fall, und niemand glaubte ihm. Seine Tage als Richter schienen gezählt.« Killesreiter machte eine Pause.
    »Was ist dann passiert?«, fragte Clara leise.
    »Im Herbst fanden die Landtagswahlen statt. Sie erinnern sich doch bestimmt?« Er warf ihr einen ironischen Blick zu. »Nicht dass ich es Ihnen verübeln würde, wenn Sie es nicht täten, das Ergebnis ist ohnehin immer das gleiche. Jedenfalls setzte unsere Leib-und-Magen-Partei auf Altbewährtes und immer gern Gehörtes: Die innere Sicherheit!« Er spuckte die letzten Worte förmlich aus. »Und voilà, der Justizminister erinnerte sich an seinen alten Kumpel und Golfpartner Oberstein und beförderte ihn nach München. Somit konnten sie gerade noch verhindern, dass unsere schöne Hauptstadt von kriminellen Ausländern überschwemmt wird.« Killesreiter klatschte mit der Hand auf den Tisch. »Ist das nicht wunderbar?«
    Clara nickte. Sie hatte begriffen. Doch etwas blieb noch offen, etwas hielt dieser Mann mit dem unergründlichen Gesicht und den wachsamen Augen noch zurück. Etwas, das ihn noch mehr bedrückte, als all diese Winkelzüge und Unanständigkeiten, die er in seiner Laufbahn wohl schon miterlebt hatte und die seinen Magen schwach und angreifbar hatten werden lassen. Doch das entscheidende Detail, der eigentliche Grund, weshalb er sich heute mit Clara getroffen hatte, fehlte noch. Killesreiter tat sich schwer damit. Clara schwieg. Er würde es ihr erzählen. Ganz sicher. Sie musste nur Geduld haben. Er war gekommen, um reinen Tisch zu machen. Er würde nicht gehen, ohne es ihr gesagt zu haben.
    Es war mittlerweile dunkel geworden, und der Kellner hatte ein Windlicht auf ihren Tisch gestellt. Trotz der Heizlüfter begann Clara zu frösteln, und sie zog sich ihren Mantel enger um die Schultern.
    Endlich, nach einer Ewigkeit, wie es schien, raffte Killesreiter sich auf. Sein Gesicht bewegte sich unruhig im Licht der flackernden Kerze, und er verzog den Mund, als habe er Schmerzen. »Ich weiß, weshalb sich das Mädchen umgebracht hat«, sagte er schließlich, und es lag so viel Abscheu über sich selbst in seinen Worten, dass Clara fast versucht war, ihn zu trösten.
    Doch sie hielt sich zurück. Gebannt starrte sie auf seine scharfen, wie aus Holz geschnitzten Gesichtszüge, die durch das Kerzenlicht noch stärker hervortraten und ihm eine gewisse Ähnlichkeit mit der schauerlichen Fratze an einem Kirchenfries verliehen, das sie irgendwo einmal gesehen hatte.
    Er fuhr fort: »Ich habe Oberstein danach noch einmal getroffen, in einer Kneipe in Deggendorf. Kein sehr angesehenes Lokal, es war nicht meine beste Zeit damals, ich hatte gerade von meiner - äh, Krankheit erfahren. Oberstein saß da am Tresen, sturzbetrunken. Ich glaube, sie hatten ihn gerade beurlaubt.« Killesreiter schüttelte den Kopf, fassungslos über sich selbst, wie es schien. »Er hat mir einen Schnaps ausgegeben, und dann hat er zu erzählen begonnen.« Der Staatsanwalt rieb sich heftig über sein Gesicht und senkte den Kopf. Dann fuhr er mit bitterer Stimme fort: »Es war … nicht zu glauben. Er hat sich gebrüstet damit. Hat mir die Nutte, wie er sie nannte, genau beschrieben, ihre Titten, ihren

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