Das Gesetz Der Woelfe
Gemeinsamkeiten zwischen Arno Pöttinger und Karl Killesreiter zu sehen. Doch sie hatte keine Lust auf solche Spielchen. »Vielleicht wird es dann langsam Zeit, den Job zu wechseln«, antwortete sie trocken.
Da lachte Killesreiter, unerwartet laut und herzhaft, als hätte er einen ganz besonders lustigen Witz gehört. »Richtig! Dass ich darauf nicht selbst gekommen bin!« Sie waren jetzt bei dem Kaffeehaus angelangt. Trotz der frühlingshaften Kühle waren viele Tische besetzt. Er fasste Clara leicht am Ellenbogen und meinte: »Würden Sie mir die Ehre erweisen, etwas mit mir zu trinken?«
Clara hob die Augenbrauen angesichts der geschwollenen Ausdrucksweise, nickte aber. Sie setzten sich an einen Tisch ein wenig abseits neben einer dieser Wärmepilze, die in regelmäßigen Abständen zwischen den Tischen glühten und wettzumachen versuchten, was der Frühling noch vermissen ließ.
Karl Killereiter bestellte ein stilles Wasser und Rotwein für beide.
»Sie mögen doch Rotwein?« Er sah sie so drängend an, als könnte er ein Nein nicht ertragen.
Clara nickte noch einmal.
Als der Wein kam, trank Killesreiter einen bedächtigen Schluck und schloss dabei die Augen. Dann erst widmete er seine Aufmerksamkeit wieder Clara. »Wissen Sie, warum ich in München bin? Hat Pöttinger es Ihnen gesagt?«
»Nein.« Clara nippte an ihrem Glas. Der Wein war vorzüglich. Sie kramte ihrer Zigaretten heraus und bot Killesreiter eine an.
Der lachte wieder, diesmal leise und ein wenig wehmütig, wie es schien und schüttelte den Kopf. »Das wäre zu viel des Guten, fürchte ich.« Nach dieser rätselhaften Bemerkung fuhr er mit einem nachdenklichen Blick auf sein Glas fort: »Ich bin hier im Krankenhaus. Magenkrebs. Es wird nicht mehr lange dauern.« Er trank noch einen Schluck, dann schob er sein Glas beiseite.
»Oh. Das tut mir leid.« Clara starrte ihre Zigarette an. Der beißende Geruch kam ihr plötzlich widerlich vor. Sie drückte sie aus.
»Muss Ihnen nicht leidtun.« Er verzog das Gesicht zu seinem Holzkaspergrinsen: »Ich hätte Sie früher treffen und auf Ihren Rat hören sollen.«
»Was?« Clara runzelte die Stirn.
»Den Job wechseln. Das haben Sie doch gesagt.«
Clara biss sich auf die Lippen. »Ich wusste ja nicht …« Sie verstummte betroffen und begann zu verstehen, warum ihr dieser Mann merkwürdige Fragen stellte und solche privaten Dinge erzählte. Es war die Ouvertüre zu dem, was jetzt kommen sollte, die Erklärung dafür, warum Karl Killesreiter ein Nestbeschmutzer war, der im Begriff war, interne Informationen an Außenstehende weiterzugeben.
»Dr. Oberstein.« Killesreiter starrte auf einen Punkt irgendwo hinter Clara und lächelte versonnen. »Deggendorf liegt ganz tief drin in Niederbayern, direkt an der Grenze zum Bayerischen Wald. Ferne, traurige Hügel, leere Felder … Haben Sie eine Ahnung, was das bedeutet?«
Clara schüttelte schweigend den Kopf. Sie hatte das Gefühl, dass Killesreiter keine Antwort von ihr erwartete. Er sah sie nicht einmal an, während er fortfuhr.
»Extreme Typen. Ich darf das sagen, ich bin selbst einer. Eine Gegend, die polarisiert. Entweder du bist Anarchist oder …« Er wedelte matt mit dem Arm wie ein müder Zauberkünstler und verstummte. Abwesend starrte er in das Glas, drehte es zwischen seinen Fingern, trank aber nicht mehr.
Erst jetzt bemerkte Clara die Kanüle auf seinem rechten Handrücken, sorgfältig festgeklebt mit einem weißen Pflaster.
Er sprach weiter und seine Stimme war ätzend wie Säure: »So einer wie Oberstein hatte bei uns das Gefühl, der richtige Mann am richtigen Ort zu sein. Er glaubte, den Leuten aus der Seele zu sprechen mit seinen Urteilen. Er hat die Stammtischparolen zur Rechtsprechung erhoben. Er war unerträglich. Doch niemand konnte etwas dagegen unternehmen.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause und richtete seinen Blick auf Clara, die ihn erwartungsvoll ansah.
»Vor gut einem Jahr ist dann etwas passiert. Ich war damals der leitende Oberstaatsanwalt. Wir waren ganz nahe dran an einem Ring von Zuhältern, Menschenhändlern. Sie brachten junge Frauen aus dem Osten über die tschechische Grenze. Sehr junge Frauen, Mädchen. Sie wurden in Bordelle im ganzen Land verschickt. Oberstein vernahm eine junge Russin. Sie war wegen einer Drogengeschichte in Untersuchungshaft. Sie wollte zunächst gegen diese Leute aussagen, hat es sich dann aber wieder anders überlegt. Er ließ den anwesenden Pflichtverteidiger aus dem Raum verweisen,
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