Das Gesetz Der Woelfe
etwas daraus machen als du?« Clara legte den Kopf schief und musterte Pöttinger plötzlich nachdenklich. »Oder traust du dich nicht? Hast du etwa Angst, es dir mit der heiligen Richterschaft zu verderben?« Damit hatte sie ihn. Sie sah es an seinem Gesichtsausdruck. Auch wenn er zu intelligent war, um nicht zu durchschauen, dass sie ihn damit nur provozieren wollte, genügte schon der Hauch eines Verdachtes, er, Arno Pöttinger, hätte auf seine alten Tage Schiss vor der Obrigkeit bekommen.
Und tatsächlich. Zwar setzte er eine äußerst finstere Miene auf, eine von denen, die normalerweise renitenten Zeugen und begriffsstutzigen Staatsanwälten vorbehalten war, aber sein Knurren klang alles andere als gefährlich: »Das lasse ich mir nicht einmal von dir sagen, Clara Niklas, nicht einmal von dir, und das will was heißen.«
Clara warf ihm einen Handkuss zu: »Ich danke dir, geschätzter Kollege.«
Und dann erzählte sie ihm, was sie von Frau Früchtel noch erfahren hatte, und Pöttinger horchte auf: »Deggendorf sagst du? Richter Oberstein war vorher in Deggendorf?«
Clara nickte gespannt. »Sagt dir das was?«
»Nein. Aber ich habe einen Freund, einen von früher.« Er räusperte sich verlegen, und Clara sah im Geiste einen jungen, noch schlanken Pöttinger zusammen mit Joschka Fischer Steine werfen und Parolen brüllen und lächelte in sich hinein. »Ja?«, half sie ihm auf die Sprünge.
»Der ist Staatsanwalt in Deggendorf.« Pöttinger verstummte.
»Staatsanwalt?«, fragte Clara ungläubig. »Und das ist ein Freund von dir?«
»Nun ja, ich habe ihn schon länger nicht mehr gesehen, aber früher konnten wir ganz gut miteinander …« Ein nostalgisches Lächeln spielte um seinen Mund. »Ich könnte ihn mal anrufen.«
»Ja, tu das. Um der alten Zeiten willen.« Clara grinste. Dann sammelte sie ihre Papiere ein und stopfte sie zurück in die Tasche. Sie warf Pöttinger einen prüfenden Blick zu. Hatte sie ihn? Würde er ihrem Gedankengang folgen? Oder würde er sie auslachen? Die politische Geschichte war das eine, war Pöttingers Element, aber das andere, was ihr Instinkt ihr sagte, das, was ihr solches Unbehagen bereitete, war weitaus weniger greifbar. Kein klares Feindbild, nichts, woran man sich halten konnte. Aber sie musste mit jemandem darüber reden. Sie zündete sich eine Zigarette an. »Ich glaube, es gibt da noch ein Problem«, begann sie zögernd.
»Eines?«, spöttelte Pöttinger. »Ich glaube, du bist gerade dabei, dir einen ganzen Haufen Probleme zu schaffen.«
Clara schüttelte den Kopf: »Diese Sorte Probleme meinte ich nicht. Was ich eben schon gesagt habe: Angelo hat Angst.« Sie nahm einen tiefen Zug und sprach drängend weiter: »Es klingt vielleicht merkwürdig, aber ich würde sagen, er hat Todesangst.«
Pöttinger sah sie einen Augenblick erstaunt an, dann schüttelte er den Kopf: »Bei aller Liebe, Clara, er wird doch wohl kaum annehmen, dass ihn die bayerische Justiz in Gewahrsam genommen hat, um ihn dort abzumurksen. So paranoid bin ja noch nicht einmal ich.«
Clara verdrehte die Augen. »Quatsch! Ich sagte doch schon: Da steckt noch etwas anderes dahinter. Ich weiß nicht, ob es eine Verbindung zwischen diesen beiden Dingen gibt, vielleicht haben sie gar nichts miteinander zu tun. Aber Malafonte wusste, dass so etwas passieren würde, und er hat panische Angst, nachhause zurückgeschickt zu werden. Weiß der Himmel, was er dort angestellt hat.« Sie warf einen weiteren misstrauischen Blick zu der geschlossenen Küchentür und beobachtete dann eine Weile den pausbäckigen Kellner, wie er einen Tisch abräumte und rasch mit geübten Bewegungen neu eindeckte. Das Lokal hatte sich mittlerweile gefüllt, und ein paar Gäste warteten an der Theke auf einen freien Platz. Alles wirkte vollkommen normal. Unauffällig. Eine Pizzeria wie hundert andere. Doch aus irgendeinem Grund war sich Clara sicher, dass Angelo von hier keine Hilfe zu erwarten hatte. Im Gegenteil. Zu Pöttinger meinte sie nur: »Ich glaube nicht, dass er hier Freunde hat.«
Als sie sah, dass Pöttinger anhob, etwas zu entgegnen, wehrte sie lächelnd ab. »Ich weiß schon, was du sagen willst, Arno. Und wahrscheinlich hast du ja recht.« Sie senkte die Stimme und versuchte, seinen Bass nachzuahmen: »Nicht die Welt retten, sondern nur deinen Job machen«, brummte sie in seinem typischen Tonfall.
Pöttinger lachte so laut auf, dass sich ein paar Gäste nach ihnen umdrehten: »Exakt, meine Liebe, exakt! Wenn du nur
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