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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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Bitte war fast unmöglich zu erfüllen, das wurde Clara mit Entsetzen bewusst, als der junge Mann vor ihr auf der eleganten, mit glänzendem, rotem Stoff bezogenen Couch den Kopf hob und ihr ins Gesicht blickte. Er musste einmal sehr schön gewesen sein. Dunkle Locken umrahmten einen schmalen Kopf mit großen, braunen Augen und einem ausdrucksstarken Kinn. Doch von dieser Schönheit war nichts mehr übrig geblieben. Sein Gesicht war von tiefen, unregelmäßig verheilten Schnitten durchzogen und mit Blutergüssen bedeckt, die in allen Farben schillerten. Ein Augenlid hing schlaff herab, unter der Augenbraue befand sich eine tiefe, schwarz verkrustete Wunde, die ihn offenbar fast das Augenlicht gekostet hatte. Das Schlimmste von allem jedoch war seine Nase. Eine kühn geschwungene Adlernase musste er einmal besessen haben, soweit man das noch erkennen konnte. Jetzt war sie mehrmals gebrochen, das sah sogar Clara, und an der Spitze fehlte ein großes Stück, was ihm ein wenig das Aussehen eines Zombies gab. Clara schluckte und bemühte sich, keine allzu deutliche Reaktion zu zeigen, zumal sie Moros Augen unverwandt auf sich gerichtet spürte. Ihr Blick eilte zu Simoneit, der sich neben Moro auf die Couch gesetzt hatte und sie ebenfalls ansah. Er hatte die Lippen fest zusammengepresst, und in seinen Augen stand eine Trauer, die Clara unvermittelt begreifen ließ, in welcher Beziehung die beiden zueinander standen. Sie dachte an ihre flapsige Bemerkung zuvor, ob Simoneit etwa Moros Vater sei, und Schamröte schoss ihr ins Gesicht. Der Architekt schien ihrem Gedankengang gefolgt zu sein. Ein spöttisches Lächeln erschien auf seinen Lippen. Clara senkte für einen Moment die Augen. »Tut mir leid«, murmelte sie, während sie sich in den Sessel gegenüber der Couch setzte.
    »Was, was tut Ihnen leid?«, herrschte Moro sie an. »Darf man fragen, was Sie damit zu tun haben, dass es Ihnen leid tun muss?« Seine Stimme war aggressiv, darunter lauerte, kaum verborgen, Verzweiflung. Simoneit legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm. »Dich hat Frau Niklas nicht gemeint, Max, das war ein … Spaß zwischen uns beiden.« Er zwinkerte Clara zu, und ihr gelang ein kleines, aber umso dankbareres Lächeln. Massimo Moro warf den beiden einen argwöhnischen Blick zu, schwieg aber. Simoneits Hand lag unverwandt auf seinem Arm.
    »Was wollen Sie nun wissen, Frau Rechtsanwältin?« Der Architekt schlug einen sachlichen Ton an und machte damit deutlich, dass er die Zeit für den Austausch von höflichen Nettigkeiten als beendet betrachtete. Vielleicht wollte er aber auch nur dem jungen Mann an seiner Seite ein Gefühl von Sicherheit und Schutz bieten, indem er vom Eindruck seines zerstörten Gesichts zum eigentlichen Thema schwenkte.
     
    Clara indes fiel es schwer, sich auf etwas anderes zu konzentrieren als auf die Brutalität, mit der jemand den jungen Italiener angegriffen hatte. Nicht zuletzt auch deswegen, weil die beiden davon auszugehen schienen, dass sie darüber bereits Bescheid wissen müsste. Sie räusperte sich und sehnte sich nach einer weiteren Zigarette. Doch sie wagte nicht zu fragen, kein Aschenbecher war zu sehen, und das ganze Zimmer sah aus wie aus einer dieser edlen Hochglanz-Wohnzeitschriften kopiert: Mit Ausnahme der roten Couch gab es nur weiße und cremefarbene Möbel mit perfekt aufeinander abgestimmten Accessoires auf einem flauschig weichen, ebenfalls weißen Teppich, der genau so aussah, als ob darauf unweigerlich verstreute Asche landen müsste und nur mit einer aufwändigen chemischen Reinigung wieder zu entfernen wäre.
     
    Sie richtete sich in ihrem Sessel ein wenig auf und beschloss, ohne Umwege zum Kern der Sache zu kommen: »Herr Moro, ich vertrete Herrn Angelo Malafonte.« Sie versuchte, den jungen Mann so unbefangen wie möglich anzusehen.
    »Max!«
    »Wie bitte?«
    »Nennen Sie mich Max.«
    »Also gut, Max. Sie haben vor Gericht eine Aussage gemacht, die meinen Mandanten belastet …«
    Moro lachte bitter. »Eine Aussage! Jawohl.« Dann deutete er sich mit dem Finger an die verstümmelte Nase und meinte höhnisch: »Das war auch eine Aussage!«
    »Wollen Sie damit etwa andeuten, dass … mein Mandant Sie so zugerichtet hat?« Clara spürte, wie ein leichter Schauder über ihren Rücken lief. Das war unmöglich. Sie konnte sich doch wohl nicht so in Malafonte getäuscht haben? Und wenn doch? Was wusste sie schon von ihm? Vielleicht war er ein ausgezeichneter Schauspieler? Nein. Unmöglich. Sie sah

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