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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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Nettelbeck, vor allem aber werde der Film zum Denkmal dafür, wie die Deutschen heute seien.
    Das wäre es fast gewesen, und wir hätten nach Hause gehen können, wäre nicht die obligatorische Frage erfolgt, wie seine weiteren Pläne aussähen, genauer: ob er, wie gelegentlich zu vernehmen sei, an den immensen Erfolg seines
Jud Süß
-Films anknüpfen werde.
    Harlan: Ja, er werde nach Abschluss der Dreharbeiten voraussichtlich im nächsten Sommer die Verfilmung des »Kaufmanns von Venedig« in Angriff nehmen, gemäß Vor-Absprache mit dem Herrn Reichsminister für Propaganda. Es gehe darum, die Rassegegensätze noch schärfer herauszuarbeiten als vor zwei Jahren bei
Jud Süß
. Er werde die Akzente infolgedessen anders setzen als seinerzeit Shakespeare, werde das komödiantische Treiben der drei Paare und deren Happy Ends weniger in den Vordergrund rücken als das satanische Treiben des Geldverleihers Shylock, der für seine wohlverdienten Demütigungen durch Christen an ihnen Rache üben will. Auch deshalb der sittenwidrige Vorschlag, dem königlichen Kaufmann Antonio ein Pfund Fleisch herauszuschneiden, falls er das Darlehen von dreitausend Dukaten nicht fristgerecht zurückerstatte. Was zur gesetzten Frist in der Tat nicht möglich ist, Schiffe des Kaufmanns sind von Fernfahrten noch nicht zurückgekehrt. Antonio ist deshalb bereit, vor dem Gericht die Brust entblößend, sich das Pfund Fleisch, sprich das Herz herausschneiden zu lassen. Dabei darf Shylock aber, laut Richterspruch, keinen Tropfen Blut vergießen – Blut wurde im Kreditvertrag nicht erwähnt. So muss der Jude klein beigeben. Nun erst recht wird er Rache üben wollen – in welcher Form, dies müsse über das Shakespeare-Drama hinausgehend neu entwickelt werden. Das Recht auf künstlerische Entfaltung werde er sich hier nicht nehmen lassen, man dürfe sich nicht sklavisch dem Stück des Engländers unterwerfen. Was im Schauspiel bloß angelegt sei, das werde er entschieden herausarbeiten: die blutige Rache des Juden, der sich vom Gericht ausgetrickst, ja, erneut gedemütigt sah.
    Aus dem Kreis der Journalisten erfolgte die Frage, ob Harlan bereits Vorüberlegungen angestellt habe zur Besetzung des Shylock.
    Die Antwort, prompt: Werner Krauß und kein andrer! Im
Jud Süß
hat er fünf Juden treffsicher dargestellt, hat zudem im Wiener Burgtheater mit der Rolle des Shylock nicht nur brilliert, sondern triumphiert. Dies als widerlich fremde, abschreckende Erscheinung: Shylock in schwarzem, speckigem Kaftan, den grellgelben Synagogenschal umgeworfen, grellrot Mähne und Bart, schleppend, ja schleifend sein Gang, dazu sein Mauscheln, sein Fußstampfen bei Wutausbrüchen, seine krallige Gestik – kurzum, Harlan sieht in Shylock mit bezwingender Deutlichkeit das pathologische Bild des ostjüdischen Rassetyps verkörpert.
    Beifall in der Riege, Schlusswort, Bildung einer größeren Runde um Harlan, einer kleineren Runde um Liebeneiner, rasche Auflösung der Kreise, denn wieder einmal heulten die Sirenen. Es erfolgte aber nur ein Störangriff von zehn, zwölf Bombern, offenbar gegen den Anhalter Bahnhof gerichtet, der aber nicht getroffen wurde.

    Erweiterung des Faszikels D r G / VH durch eine scheinbar beiläufige, jedoch mit warnendem Ausrufezeichen versehene Information.
    Der zuständige Erfasser unserer Dienststelle zapfte ein Telefonat an zwischen Harlan und Sperber. Es ging, im Rahmen der wiederaufgenommenen Dreharbeiten, um die Gestellung von Lastkraftwagen und Omnibussen, mit denen die weiträumig einquartierte Massenkomparserie jeweils zum Drehort verbracht werden soll. Als Produktionsleiter zeichnet Sperber (mit Assistenz) auch hierfür verantwortlich.
    Harlan, mit Furor: Es sei unabdingbar, dass alle 30000 Mann termingerecht zum Dreh erscheinen; Sperber soll unter allen Umständen auf pünktlichem Antransport bestehen.
    Der Produktionsleiter machte geltend, dass die Zusammenarbeit zwischen RMVP und OKW nicht gerade in wünschenswerter Form verlaufe. In der Heeresführung habe man offenbar den Eindruck, mit der Gestellung von zusammengerechnet etwa zwei Volldivisionen werde dem Filmvorhaben hinreichend Genüge getan; weitere Leistungen, etwa die Bereitstellung von Transportmitteln, seien nicht mehr vertretbar. Das OKH macht geltend, dass jeder verfügbare Lastwagen, jeder Omnibus vorrangig benötigt wird von Divisions-Nachschub-Kolonnen im Operationsgebiet sowie zum Abtransport der immer zahlreicher anfallenden Verwundeten. Gegen derartige

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