Das Gesetz des Irrsinns
der zwanzig Klinken auf: Ortsgespräch Staatssekretär Terzenbach, Leiter der Ministerialkanzlei des RMVP , mit Regierungsoberinspektor Reifferscheidt, Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft.
Terzenbach beklagte sich darüber, dass die Versorgung der für die Dreharbeiten des Großfilms
Kolberg
von Etappendienst und Fronteinsatz freigestellten (rund) 30 000 Mann entgegen bisherigen Bekundungen keineswegs gesichert sei. Herr Reifferscheidt, wie gedenken Sie das Versorgungsproblem zu lösen?
Der Regierungsoberinspektor im Ministerium Ern u La wollte erst einmal hören, von welcher Front die Truppe abgezogen wurde. Darüber informiert, reagierte er ablehnend: Sein Haus sei für die Versorgung einer dergestalt zusammengewürfelten Truppe nicht zuständig, das RMVP möge sich an das Heeresverpflegungsamt wenden.
Was umgehend geschah. Allerdings zog sich Terzenbach in dieser Angelegenheit zurück und trug Produktionsleiter Sperber auf, dies zuständigkeitshalber doch bitte selbst zu übernehmen.
Auch die telefonische Unterhandlung zwischen Sperber und Stabsintendant Cremerius wurde stichwortartig dokumentiert.
Sperber: Hauptsächlich von der Heeresgruppe Nord sowie aus Norwegen werden Truppen in einer Gesamtstärke von etwa 30000 Mann herangezogen (vorerst mit Marschverpflegung): Massenkomparserie für den Großfilm, den Reichsminister Dr. Goebbels in Auftrag gegeben habe. Das Reichsernährungsministerium habe sich in der Versorgungsfrage in diesem Fall jedoch für nicht zuständig erklärt.
So, und da stellen Sie sich vor, Herr Sperber, wir würden den Nachschub für die Truppe von der norwegischen Etappe und der russischen Front einfach mal zum Drehort umdirigieren? Da machen Sie die Rechnung ohne den Wirt. Wir folgen der Grünen Mappe des OKW , die uns dazu verpflichtet, unsere Truppen restlos aus den besetzten Gebieten zu verpflegen. Damit soll die Verpflegungslage im Reichsgebiet verbessert werden. Außerdem werden die Verkehrswege entlastet. Wo finden die Dreharbeiten überhaupt statt?
In Pommern. An der Ostsee. Bei und in Kolberg.
Die Truppen sind für die Dauer der Dreharbeiten somit in der Heimat stationiert. Da werden Sie sich einerseits an das Generalquartiermeisteramt, andererseits an das Reichsernährungsministerium wenden oder halten müssen.
Staatssekretär Terzenbach vom Propagandaministerium hat diesbezüglich bereits vorgefühlt: Ich habe meinerseits bei Ern u La noch mal nachgehakt. Die Verpflegungslager sind auch in Pommern für den Ernstfall hinreichend ausgestattet, diese Reserven werden allerdings nicht freigegeben, schon gar nicht für »die Filmerei«, wie etwas kiebig bemerkt wurde. Wir haben das Gefühl, wir sind beim Amt für Heeresverpflegung weitaus eher an der richtigen Adresse. Sie scheinen flexibler zu sein.
Danke für die Blumen. Aber ich habe keine passende Vase dafür. Sie sprachen von zwei Divisionen, rein numerisch. Ist wenigstens eine geschlossene Division der Hg. Nord mit von der Partie? In dem Fall wenden Sie sich am besten an den Divisionsnachschubführer. Der soll seinen Versorgungstross in Marsch setzen.
Und Sperber telefonierte sich durch zum Divisionsnachschubführer. Auch der konnte, trotz betont guten Willens, nicht weiterhelfen: Wir halten keine Lager für Versorgungsgüter, die Armee fouragiert im Operationsgebiet. Im Übrigen kann ich Ihnen nur raten, sich an das Heeresverpflegungsamt in Verbindung mit dem Generalquartiermeisteramt zu halten. Die sind in der Pflicht, nicht wir an der Front. Ihr Reichsminister sollte sich in der Angelegenheit mit dem Generalstabsintendanten in Verbindung und ins Benehmen setzen. Heil Hitler!
Fortsetzung der Telefon-Odyssee. Sperber ließ sich mit einem Oberfeldintendanten des Heeresverpflegungsamtes verbinden, legte ihm die Sachlage dar, erhielt die Zusage, das »Ansinnen« werde nach oben »durchgereicht«; eine Entscheidung in der Angelegenheit könne nur auf höchster Ebene getroffen werden.
Dr. G. ließ daraufhin, Stunden später, eine Verbindung zu Generalstabsintendant Müller-Remscheid durchstellen. Der plädierte, nach langem Hin und Her, in Anbetracht der besonderen Situation und des Termindrucks für eine unbürokratische Lösung. Für die Verpflegung der in der Heimat zeitweilig tätigen Truppen müsse nun mal Nachschub erfolgen – »die können Pommern ja nicht kahlfressen«. In Anbetracht der weitreichenden Versorgungs-Engpässe gäbe es nur eine, freilich gewagte, Möglichkeit: Wir isolieren oder
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