Das Gesetz des Irrsinns
Argumente, so Sperber, sei kein Kraut gewachsen. Abhilfe sei jedoch absolut notwendig. So habe er sich in dieser Angelegenheit an Staatssekretär Terzenbach gewendet, viel gebracht hätte das allerdings nicht.
Harlan: Ach, der Terzenbach, der redet ein bisschen viel; wenden Sie sich doch gleich an Hinkel. Der steht als Reichskulturwalter, Reichsfilmintendant, Geschäftsführer der RSK einerseits, als SS -Gruppenführer andrerseits im Spagat zwischen Propagandaministerium und Sicherheitshauptamt, Himmler als sein zweiter Dienstherr – diese Konstellation muss genutzt werden! Dabei ließen sich versteckte Animositäten zwischen dem Hinkenden und Hinkel einkalkulieren. Goebbels hege Hinkel gegenüber gewisse Vorbehalte, habe ihn vor einem größeren Kreis im Ministerium schon mal als Lügner bezeichnet – im Ministerium für Volksaufklärung einigermaßen pikant. Hinkel dürfte seither Vorbehalte im Hause zu spüren kriegen – umso leichter werde er in seiner Funktion als SS -Gruppenführer ansprechbar sein. Also, unbedingt Hinkel anrufen, der soll seine Hebel in Bewegung setzen!
Sperber sieht allerdings eine gewisse Gefahr heraufziehen: Über die Transportfrage könnte sich zwischen RMVP und RSHA weitere, für das FA nachteilige Kooperation entwickeln.
Harlan: Sie sollten RM nachdrücklichst darüber informieren unter dem Aspekt: Die Luftwaffe solle durch rasche Vermittlung von LKW s und Bussen neue Verpflichtungen gegenüber der SS unterlaufen, umgehen, verhindern. Auch wenn Göring dem Kolberg-Projekt (wegen der Bindung an das RMVP ) nicht eben gewogen ist, sollte er das Vakuum nutzen und die Filmproduktion zumindest transporttechnisch unterstützen.
Hiermit habe ich dem hochverehrten Forschungsamt zu Händen von Major Roggenkamp von einem unpolitischen Politikum zu berichten, in Ergänzung zu Vorgängen, die sonst im Mittelpunkt unseres Informationsaustauschs liegen. (In Anbetracht des Themas muss ich mich einer etwas gehobeneren Ausdrucksweise befleißigen …)
Zur Sache: RM , von einer Dienstfahrt zurückgekehrt, zeigt sich verstimmt, ja verärgert darüber, dass Goebbels sich mehr und mehr des Kulturbereichs bemächtigt. Dessen Domäne sei nun mal primär die Propaganda. Dagegen sei ihm, Göring, als dem Schirmherrn des Preußischen Staatstheaters, als Kunstsammler von europäischen Graden (und Gnaden), vom Führer in gewissem Sinne der Kultursektor überantwortet worden. Goebbels aber schalte und walte hier fast nach Belieben, sogar in der Besetzung tragender Filmrollen mit Schauspielern ausgerechnet des Staatstheaters, mit George und Jannings, mit Hatheyer und Hoppe, kurzum, der Crème de la Crème.
RM ist »eisern entschlossen«, einen entschiedenen Gegenakzent zu setzen. Dies nun erst recht mit der Neufassung von
Besatzung Dora
. Dazu würden allerdings ein paar geniale Einfälle benötigt, es solle ja mehr werden als ein Remake von Ritters Desaster: ein Film, in dem die Luftwaffe glanzvoll in Erscheinung trete.
Er hat auch schon einen der Großen der Zunft der Filmdichter im Visier: den bereits erwähnten Hanns-Karl Erckmann, der sich zuletzt ausgewiesen hat mit seinem Skript zum
Katte
-Film und vor allem zu den
Wüstensöhnen.
Schlichtweg grandios die Konstellation, in der Lawrence of Arabia und Alois Musil (alias Scheich Musa) an der Hedschasbahn gegeneinander geführt werden sollen! Wie man weiter hört, hat Liebeneiner bereits Teile des Films in der Sandwelt der Kurischen Nehrung gedreht.
Zum Abschluss einer Konferenz im OKL ließ sich RM in die Lutherstraße chauffieren, um sich mal wieder mit einem frugalen Mahl zu belohnen. Otto Horcher strammstehend bei der Begrüßung, Aufblicken an den neun Tischen, wieder der separate Salon, wieder die festlich gedeckte Tafel. RM an der Stirnseite, flankiert von meiner Wenigkeit und von Erckmann, einer etwas milchigen Erscheinung. Am freien Teil der Tafel agierte Maestro Poncini, wie immer mit reichlich Feuerzauber. Horcher als des Sonnenkönigs Mundschenk, sich jeweils diskret zurückziehend, jedoch mit sicherem Gespür für den Zeitpunkt der Rückkehr zum Nachschenken, linker Unterarm waagrecht hinter dem Rücken.
RM kam rasch auf sein Vorhaben zu sprechen, Entschlossenheit demonstrierend. Bei UFA , Tobis, Terra kommt auf etwa zwanzig Spielfilme eine einzige Produktion mit politischer Thematik; das Gros weiterhin im Zeichen der leichten Muse. Diesem kunterbunten Treiben müsse etwas entgegengesetzt werden, und zwar entschieden! Schon fiel das
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