Das Gesetz des Irrsinns
Als Hauptgockel scheint Borowski seinen Mann zu stehen. Unter Hinweis darauf, das sich die Weitergabe gewisser Hinweise an Mitglieder ihrer Familie durchaus nachteilig auswirken könnten, ist sie zu erstaunlich weitgehenden Mitteilungen bereit – allerdings ohne Kenntnis der Bindung unseres V-Mannes an das RSHA .
Borowski, in der Residenz des Reichsmarschalls zu eher bescheidenem Auftreten »verdonnert«, scheint bei Besuchen in Teltow aus sich herauszugehen. Er beliebt sich darzustellen als Referent der Sonderdienststelle z.b. V. So hat er ihr, mit einem gewissen Hang zur Geschwätzigkeit, nähere Mitteilungen gemacht zum überwiegend geruhsamen Tageslauf seines Dienstherrn.
Generell muss zur Tätigkeit der beiden mittlerweile befreundeten Luftwaffenoffiziere festgehalten werden, was Ihnen geläufig ist, hier aber noch einmal zusammenfassend skizziert werden darf.
Im FA hat eine Verlagerung in Überwachung und Erfassung stattgefunden. Infolge zurückweichender Frontverläufe sowie komplexerer Verschlüsselungen von Fernschreiben und Telegrammen ausländischer Botschaften wurde das FA in zunehmendem Maße von den Quellen abgeschnitten. Zur Wahrung seines Renommees erwies und erweist sich der Reichsmarschall allerdings nicht bereit, überflüssig gewordene Mitarbeiter im Rahmen der Auskämmaktionen für den Dienst mit der Waffe freizugeben. Eine der Stellungnahmen des Reichsmarschalls: »Wir lassen uns das Wasser nicht abgraben. Wenn im Ausland nicht mehr viel zu holen ist, schöpfen wir im Reich ab. Es lassen sich auch private Telefonanschlüsse freischalten.«
So wurde das FA sukzessiv vom Auslandsnachrichtendienst zu einem (weiteren) Inlandsnachrichtendienst. In wachsender Zahl werden Überwachungsdossiers angelegt zu Staats- und Parteifunktionären. Damit werden Aufgaben übernommen, die eindeutig
unsere
Angelegenheit sind seit der von Ihnen durchgeführten Verschmelzung von Kripo, Gestapo, SD zur verwaltungsmäßigen Einheit Reichssicherheitshauptamt.
Resultat der generellen Entwicklung des vormals außenpolitisch orientierten FA -Nachrichtendienstes: Im klaren Bewusstsein dessen, dass er, Hermann Göring, ebenso überwacht wird wie andere führende Parteigenossen, will er sich mit der gleichen Methode schützen und seinerseits führende Parteigenossen überwachen. Dies unter dem Motto: Die Initiative in der Hand behalten. Oder, von RM salopper formuliert: Munition bereitlegen, die Munitionskiste füllen …
Dabei wird vor allem Munition gegen Reichsminister Goebbels gesammelt. Hier sind die Aufgaben verteilt. Informationen über das Privat- und Intimverhalten des Reichsministers werden unter dem Stichwort »Kaulquappe« gesammelt, entsprechend dem brancheninternen Ondit, nach dem Goebbels nur aus Kopf und Schwanz bestehe. So werden sämtliche Seitensprünge registriert, speziell mit Nachwuchs-Schauspielerinnen in Neubabelsberg.
Von diesem Tätigkeitsfeld abgegrenzt: Kooperation des Duos Roggenkamp/Borowski. Dies in spezieller Zuarbeit für RM Göring. Er hat mittlerweile in Erfahrung gebracht, dass ihm der Führer in Lagebesprechungen Untätigkeit, ja Faulheit vorgeworfen hat; in seiner Ägide sei die Luftwaffe verlottert und verludert.
Im Bewusstsein drohender Gefahr für seine Stellung (dies trotz seiner Ämterfülle) will Göring »den Spieß nun umdrehen«. Er hat sich speziell den »Reichsbevollmächtigten für den totalen Krieg« vorgenommen (»vorgeknöpft«), sammelt Belastungsmaterial. Dies vor allem über die ministerielle Unterstützung von Harlans gigantomanischer Filmproduktion, soweit sie militärische Ressourcen in Anspruch nimmt. (Im Abspann wird es voraussichtlich heißen: Unter Mitwirkung der Wehrmacht.)
Zur Gestellung der Massenkomparserie wird in der Tat eine partielle Schwächung (vor allem) der Hg. Nord in Kauf genommen. Somit der Frontabschnitte, die zur Verteidigung der Heimat (vorab von Ostpreußen) in erster Linie wichtig sind. Da die Gesamtziffer der zu den Dreharbeiten herangezogenen Truppenverbände mittlerweile sechsstellig sein dürfte, sieht Göring hier einen Ansatzpunkt, über den er Goebbels gegebenenfalls »aushebeln« will.
Dies mit dem zusätzlichen Argument: Aus der numerischen Schwächung der Nordfront resultiert weiträumige Zersetzung der Wehrkraft. Es wird sich in der Hg. Nord rasch herumgesprochen haben, dass Einheiten abgezogen wurden für Filmarbeiten. Und das, so heißt es weiter, in neu angefertigten historischen Uniformen, während »wir seit Monaten
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