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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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nicht mehr aus den vor Dreck starrenden Klamotten rauskommen, mit hundert Läusen in jeder Naht«. Weiter: Die dürfen sich waschen, die werden gefüttert, die kriegen weiße Hosen verpasst. Man stelle sich vor: weiße Hosen! Und wir, im Kampf um Sein oder Nichtsein, wir sollen Kopf und Arsch hinhalten, während die sich einen Lenz machen? Soll sowas die letzten Reserven in uns mobilisieren?!
    Laut Berichten von NS -Führungsoffizieren eine weitverbreitete Grundeinstellung. Der Reichsmarschall hat mehrfach verlauten lassen, er wolle das alles mal auf den ›Tisch des Herrn‹ werfen.
    Und zwar unter diesem Aspekt: Göring will seinen Rang, seine Bedeutung vor der Geschichte festschreiben. Sein offenkundiges Versagen in Aufbau, Ausbau, Formierung und Motivation der Luftwaffe soll harmlos erscheinen im Vergleich zur Schwächung der Ostfront für einen Film, der wohl nie seine geplante Wirkung entfalten wird. Was allein schon dadurch erwiesen wird, dass Goebbels mittlerweile bei Liebeneiner einen zusätzlichen Durchhaltefilm in Auftrag gegeben hat unter dem Titel
Das Leben geht weiter
.
    Soviel für heute. Ich werde diesen Schriftsatz unserem Boten übergeben, der Sie in der Wewelsburg aufsuchen wird. Telefonische Übermittlung verbietet sich in Anbetracht gewisser, vom FA geförderter Entwicklungen. Dieser Luftwaffeninstitution im Sinkflug, ja Sturzflug bleibt letztlich nur die Alternative: Sich eingliedern oder zerschlagen werden.
    Heil Hitler! Ihr ergebener Kaltenbrunner.

    Abhörprotokoll eines Telefonats zwischen Harlan und Peschke, Hauptmann der Pioniere. Er soll mit seinen Männern abgezogen werden, obwohl dringend benötigt für Sprengungen von Ruinen- und Hausfassaden rund um den nachgebauten Marktplatz von Kolberg vor Groß-Glienicke: Simulation französischen Ari-Beschusses. Zudem sollen die Pioniere weitere Splittergräben und Schutzlöcher anlegen für die mehr als tausend Komparsen, die bei Fliegerangriffen auf schnellstem Wege Deckung suchen müssen.
    Harlan, wieder mal aufbrausend: Er hätte nicht das allergeringste Verständnis für die Verlegung, Peschke solle bei seinem Vorgesetzen darauf drängen, dass der weitere Verbleib der Pioniere am Drehort gesichert bleibe.
    Der Hauptmann versuchte, Harlan gleichzeitig zu beruhigen und zu belehren. Erst einmal: Seine Männer würden selbstverständlich lieber im Havelland bleiben statt nach Osten in Marsch gesetzt zu werden. Es sei ja sehr die Frage, ob dort ähnlich erfreuliche Arbeitsbedingungen herrschten wie derzeit in »Kolberg«.
    Zwischenfrage Harlan, Antwort Peschke: Nach Königsberg. Die Stadt ist seit August von der RAF erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden. Vor allem im Osten ist sie weitflächig zerstört. Am schlimmsten hat es Königsberg-Löbenicht getroffen. Speziell dort müssen wir nacharbeiten. (Zwischenfrage Harlan) Nun, das heißt: Einsturzgefährdete Ruinen sprengen. Dabei oder eher auf diese Weise: gewisse Vorbereitungen treffen. (Zwischenfrage) Also, wir müssen die östlichen Stadtteile von Königsberg in Verteidigungsbereitschaft versetzen und zugleich eine spätere, großzügige Neubebauung vorbereiten. Jedenfalls werden wir eine Menge Sprengmittel brauchen. Wir sind dazu angehalten, das Vorfeld der Festung Königsberg pioniertechnisch zu verseuchen. (Zwischenfrage) Das heißt: Minen legen! Sodann müssen wir innerhalb der Stadt Brandgassen schaffen, was voraussetzt, dass wir Häuser sprengen. Und so weiter, und so weiter. (Zusatzfrage) Ich denke, meine Andeutungen dürften reichen, um zu verstehen, dass wir in Königsberg und andernorts unabkömmlich sind. Sie werden das respektieren müssen.
    Ein toter Punkt im Gespräch, eine nachrichtentechnische Leerstelle für uns. Das Manko ließ sich jedoch ausgleichen, wenn auch vor unerfreulichem Hintergrund: In Anbetracht der militärischen Rück-Entwicklung wurde unsere Außendienststelle Ost vom Generalgouvernement abgezogen und nach Königsberg verlagert. Meyer-Camberg hat uns von dort aus sachbezogene Informationen zukommen lassen.
    Demnach wird eine neue Verteidigungstaktik entwickelt – von Strategie sollte man besser nicht reden, es handelt es sich eher um verzweifelte Rochaden. Es liegt mal wieder bei Dir, zu entscheiden, was RM vermittelt werden soll: Material zur freien Verwendung.
    Auch auf Königsberg werden fortgesetzt Brandbomben, Phosphorkanister, Sprengbomben, Luftminen abgeworfen. Damit es dort nicht – wie in Hamburg – zum Feuersturm kommt, muss aus weiterhin

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